Game-Tipp: Castle Wolfenstein: The New Order

Kein Nazis im Spiel

Die Deutschen haben ein schizophrenes Verhältnis zur Nazi-Vergangenheit. Zum einen wird das Thema im Dokumentarischen bis zum Exzess ‚bewältigt‘, zum Anderen bereitet die künstlerische Auseinandersetzung aber immer wieder Sorgen und Skandale. Während wir über Roberto Benignis »Das Leben ist schön« lachen, drückt im Magen mächtig das Schuldgefühl. Darf man das? Lachen über Nazis, Gaskammern und Todeskommandos? In Quentin Tarantinos »Inglorious Basterds« ist das Thema actionreich und satirisch behandelt, und Werke wie »Iron Sky« oder »Hellboy« machen aus Nazis absurde Okkultisten und UFO-Jünger. Das kann man nicht ernst nehmen. Da werden Nazis im Film zur künstlerischen Allegorie. Und wir alle können die Schuld getrost an der Garderobe abgeben. Reines Gewissen.

Computerspiele hingegen machen da mehr Angst – nicht umsonst geistert der »Killerspiel«-Begriff noch durch die Medien. Und: Computerspiele sind keine Kunst, sie sind Spielzeug. Bei einem Titel wie dem aktuellen »Castle Wolfenstein: The New Order« nimmt diese rechtliche Auslegung des Kunstbegriffs aber absurde Formen an. Als einziges Land weltweit dürfen wir, die »Täternation«, nicht als Captain Blaskowicz gegen Nazis antreten und das globale Dritte Reich bekämpfen. Statt kreative Katharsis im satirisch überzogenen Ego-Perspektiv-Kampf gegen Nazi-Roboter auf der Mondbasis unters deutsche Volk zu bringen, schützt uns die Politik durch Zensur. Ob Reich oder Regime, ob Hakenkreuz oder stilisiertes »W« ist zwar spieltechnisch irrelevant – der Shooter leidet atmosphärisch nicht darunter –, aber in Sachen Medienpolitik spricht eine solche Bewertung doch Bände. Film und Spiel liegen als Kunst immer noch meilenweit auseinander. »Wolfenstein« hat also für die Politik mehr mit Bauklötzen gemein, als mit »Der Untergang«. Ein Konzentrationslager aus Lego ist demnach auch keine Kunst, oder? Der polnische Künstler Zbigniew Libera und das Jüdische Museum New York könnten dies anders sehen. Dort wurde sein Lego-KZ 1996 bereits ausgestellt.

Anbieter: Bethesda Softworks

Entwickler: Machinegames

PC, PS4, X1, PS3 und X360

Ursprünglich erschienen im Kreuzer 6/2014 – hier das PDF.