Bleibt alles anders
Aaron Lewis ist ruhig und noch schläfrig an diesem Morgen als er über das neue Album seiner Band Staind spricht und genüsslich den ersten Kaffee des Tages schlürft. Er schaut nicht unglücklich aus, obwohl ihm seitens der Medien immer wieder Melancholie und Leid zugeschrieben werden. Die Schublade der dunklen, tief emotionalen Songtexte hängt ihm seit „It’s Been A While“ nach und auch das neueste Werk der Band, „The Illusion of Progress“, schwelgt in Zwischen-menschlichkeiten und ruft ähnliche Metaphern auf, wie schon die Vorgängeralben. „Mein persönlicher Stil ändert sich ja nicht plötzlich. Ich singe gerne vom Regen – keine Ahnung warum. Und wenn du die Songs an der Oberfläche liest, dann erscheinen sie vielleicht trübselig oder pessimistisch. Aber das bedeutet, dass du nicht genau hingehört hast.“ Lewis wird im Laufe des Gesprächs langsam wacher und redet sich in höhere Blutdruckregionen. „Da ist ein Wandel auf den Alben. In den Songs stecken Wendepunkte, die Hoffnung scheint durch und zeigt ein anderes Bild. Die Metaphern haben einen anderen Kontext, denn ich habe mich als Mensch verändert.“ Eine Veränderung, die in Form von Hoffnung auf dem Album deutlich zu hören ist, und die für Lewis in der Liebe – zu seiner Frau und seinen drei Töchtern – begründet liegt. Somit ist „The Illusion of Progress“ ein ironischer Titel, denn die Illusion liegt in der oberflächlichen Kontinuität der Texte, der Fortschritt jedoch ist subtiler, persönlicher und nur von dem erkennbar, der die Poetik der Songs entschlüsseln kann.
Ursprünglich erschienen im WOM 10/2008.
CD „The Illusion of Progress“: Erwachsenes und vielseitiges Rockalbum zwischen Kontinuität und Innovation.