Wie die Zeit vergeht
Wer in Sachen Werkschau bei Ray Wilson einen Einstieg sucht, der kann mit spannenden Live-Projekten wie dem Bauhaus-Auftritt oder den Genesis-Konzerten mit dem Berlin Symphony Ensemble schnell glücklich werden. Zwanzig Jahre nach dem Aus von Genesis legt Wilson nun aber erstmals eine reguläre Best-Of-Scheibe vor, die sich aus von ihm selbst geschriebenen Songs besteht – mit seiner Band Stiltskin, mit dem Projekt Cut_ oder auch als Solokünstler. Neben 26 Songs aus 9 Alben, von „Millionairhead“ bis „Makes Me Think of Home“, finden sich auch zwei neue Songs auf der Doppel-CD, die beide eine dringliche Botschaft vermitteln sollen. „Ich bin verzweifelt, wie sich das Vereinigte Königreich zur Zeit verhält und ich bin verzweifelt, wie wir alle mit unserem Planeten umgehen. Ich wollte meine Stimme dazu erheben und etwas tun. Diese Sachen sind zu wichtig, um nicht den Mund aufzumachen und sich zu positionieren.“ Mit Musik gegen die aktuelle Politik zu protestieren ist Wilson wichtig, deswegen auch das Veröffentlichungsdatum des Albums am 01.11., nur einen Tag nach dem geplanten Brexit. Dabei ist er sich seines Privilegs bewusst: „Ich bin im Endeffekt sowohl britischer als auch polnischer Staatsbürger, kann mir also aussuchen wie und wo ich lebe. Aber ich kenne viele Kollegen, die das massiv betrifft. Ich bete, dass wir wieder zur Vernunft finden und diesen Irrsinn beenden.“ Seine Songs jedenfalls sind ein vortreffliches Beispiel pan-europäischer Musikkunst: Die Songs eines Schotten, der in Polen lebt und in Deutschland veröffentlicht – hier noch einmal schön kompakt nachzuhören.
Ray Wilson – „Upon My Life“
Ursprünglich erschienen im Piranha 11/19