Die zwei Seiten der Ungläubigen
Es gibt einfach Dinge, die verschweigt man lieber. Welcher Musiker sagt schon von sich, er könne sowieso nicht singen oder gar eine Melodie halten? Und wer würde sich damit rühmen, bei der Namensgebung seiner Band von Osama Bin Laden inspiriert worden zu sein? Naja, jemand wie Bnann, Sänger und Kopf der britischen Infadels. Er liebt die Provo-kation, steht morgens absichtlich mit dem falschen Fuss auf und verbringt den Tag damit, möglichst viele Erwartungen zu brechen. Und zum Debüt der Band erzählte er gerne, wie er nach 9/11 eine Videobotschaft von Osama sah und dort von den Ungläubigen („infidels“) die Rede gewesen sei. Ein Bandname war geboren.
Doch nach dem Erfolg, nach den Gigs in UKs angesagtesten Clubs und der Hysterie in Folge des ersten Albums, ist die Provokation nicht mehr so leicht zu erreichen. Da ist der Spagat zwischen Kunst und Kommerz zum Alltag geworden und Bnann bemüht sich in Verweigerung: „Ich kann Politik, Gesellschaft und Religion nicht leiden. Politik insbesondere, da wird mir übel. Ich glaube nicht an den ganzen Mist.“ Mit dieser Anti-Haltung geht er einerseits gegen den Trend, der in den letzten Jahren wieder zu einer Politisierung der Musikszene geführt hat – nicht zuletzt wegen Osama und George W. Andererseits beweist er damit eine starke Rückbesinnung auf die Punk-Era, die ja in UK wieder voll im Trend liegt. „Ja, stimmt. Spirituell verbindet mich vieles mit den Punks. Insbesondere die Do-It-Yourself-Mentalität und das Fuck You! gegen die Gesellschaft,“ erklärt Bnann und kann den Stolz nicht verbergen.
„Aber das ist nicht alles. Wir machen keine Retro-Musik. Wir stehen auf alle möglichen Arten von Musik und nehmen unsere Inspirationen überall her. Nicht nur aus dem Punk oder dem Wave der 80er Jahre. Obwohl beides auch auf dem Album zu finden ist.“ Bnann ist überzeugt davon, dass das neue Album „Universe in Reverse“ anders klingt als noch das Debüt. „Es sind mehr Melodien darauf. Wir hatten mit dem letzten Album ein derartig cluborientiertes Album gemacht, dass wir diesmal etwas total anderes ausprobieren wollten.“ Er hat Recht, denn „Universe in Reverse“ ist ein Album, das in seinen Melodiebögen eher an alte Blondie-Nummern erinnert. Und somit tritt die Punkattitüde in vollen Kontrast zu den großen hymnenartigen Pop-Hooks des Songwritings. Ein Kompliment, dass Bnann gleich wieder mit Aufmüpfigkeit quittieren muss: „Ok, nenn es ruhig Pop, aber mit den Chartsachen hat das nichts zu tun. Wir haben das ganze Album in nur 14 Tagen eingespielt. Wir sind ins Studio gekommen und haben die Songs eingespielt, als wären wir live auf der Bühne. Da sind soviele Fehler in den Songs: Noten, die wir nicht treffen, Timings, die daneben liegen. Egal. Mann, ich liebe Fehler! Die machen die Musik erst interessant.“
Bnann ist ein zwiespältiger Mensch. Einerseits will er weiterhin seine Liebe zur Musik ausleben, ihm gefällt die Aufmerksamkeit und ohne den Erfolg würde er wohl kaum weitermachen. Andererseits will er sich auf keinen Fall funktionalisieren lassen, braucht seine Widerspenstigkeit und genießt die Provokation. Die Musik der Infadels jedenfalls beweist, dass aus diesem Widerspruch einiges an kreativer Energie zu fließen vermag. Nur einen Zahn müssen wir ihm doch ziehen: eine Melodie kann er sehr wohl halten.
Ursprünglich erschienen im Loop 06/2008.