Das globale Dorf

Spätestens seit „Full Metal Village“ dürfte jedem Normalbürger klar geworden sein, dass Metal ein kulturelles Phänomen von gigantischen Ausmaßen ist. Dass Metal jedoch keineswegs ein rein westliches Phänomen ist, zeigt eindrucksvoll die neue Doku „Global Metal“.

Bereits in den 60er Jahren attestierte Medienwissenschaftler Marshall McLuhan der Welt, dass sie aufgrund der elektronischen Medien zu einem winzigen Dorf zusammenwachsen würde. Mit seinem neuen Film „Global Metal“ belegt der kanadische Anthropologe und eingefleischte Metal-Fan Sam Dunn auf extrem unterhaltsame und informative Weise, wie wahr und prophetisch McLuhans Worte wirklich waren.

Nach dem Erfolg seiner 2005 erschienenen Doku „Metal – A Headbanger’s Journey“ startet Dunn mit seinem zweiten Film beim  Wacken Open Air  und beginnt eine Reise in die entlegensten Gebiete der Welt, um dort Metalfans aufzuspüren und ihre Geschichten zu erzählen. Er geht dabei der Frage nach, welche Rolle Metal in den Bewegungen der Globalisierung spielt. Was bedeutet Metal in Ländern mit riesigen Unterschieden in Kultur, Religion oder  Politik? „Es gibt eine Metal-Universum da draußen, von dem ich keine Ahnung habe“, sagt Dunn, „aber auf den Wiesen von Norddeutschland werde ich darauf keine Antwort finden.“

Auf seiner Reise begibt er sich unter anderem nach Brasilien, Japan, Indonesien, Indien oder auch nach Israel und spricht dort mit Fans, Metal-Aktivisten aber auch Wissenschaftlern und natürlich den Bands, die vor Ort live gespielt haben. Dabei fördert keine Platitüden zum Vorschein, sondern einen unterhaltsamen Mix aus skurrilen Anekdoten, faszinierenden kulturellen Einblicken und äußerst wissenswerten Nuancen der Subkultur Metal. Egal ob es das Metal-Kaufhaus in Sao Paulo ist, Tom Arayas Erinnerungen an das erste japanische Slayer-Konzert bei dem 3000 Fans still auf ihren Sitzen bleiben mussten oder die Briefbombe aus Norwegen, die dem Sänger von Salem in Israel einen Besuch der Polizei einbrachte – Dunns Interviews fördern die Völkerverständigung und sind dabei unglaublich kurzweilig.

Was dabei aber auch offenbar wird ist ein globales Gefühl, eine Verbundenheit von Jugendlichen auf der ganzen Welt, die sich von ihrer Umgebung benachteiligt fühlen. Sepulturas Max Cavalera fasst es zusammen: „Rebellion. Verdammt stinksauer über die Situation ihres Lebens. Sie wachsen in stinkenden Löchern auf, egal ob in Brasilien oder Indonesien. Das ist der Moment an dem Metal ins Spiel kommt.“

Dunns Studie zeigt, wie Metal gerade in restriktiven Gesellschaften, wie etwa Indien oder dem Iran, einen Ausweg aus der Konformität bietet. Die Musik bedeutet für die Fans Freiheit, ist dadurch aber auch eine Gefahr für die regulierenden Machtsysteme – seien es konservative Eltern oder fundamentalistische Regime. Zum Abschluss begleitet Dunn 30.000 Fans zum ersten Konzert von Iron Maiden auf indischem Boden. Ein Erfahrung wie eine Massentaufe durch den Metal. Bruce Dickinson hat das Schlusswort: „Egal aus welcher Kultur oder Gesellschaft du auch kommst, ein bestimmter Prozentsatz der Kids will einfach aufspringen und losschreien. Und wir machen den Soundtrack dafür.“

Ursprünglich erschienen im Piranha 12/2008.