Neuanfang auf Polnisch
In ihrem Heimatland ist die polnische Band Coma eine Rocksensation und konnte schon so ziemlich alles erreichen, was als Rockmusiker eben möglich ist. Und genau deswegen machen sich die Jungs aus Lodz nun auf den Weg nach Deutschland.
„Nein, jetzt mal im Ernst,“ meint Piotr Rogucki und lacht, „wir haben tatsächlich den Weg ins Ausland gesucht, weil wir an eine natürliche Grenze in Polen gestoßen sind. Dort ist Rockmusik jeglicher Art eigentlich eher Underground. Mainstream bedeutet Plastikpop, wir sind Rock. Doch damit gibt es dann eben Grenzen dessen, was wir erreichen können. Im Ausland ist das anders, hier fangen wir wieder von ganz vorne an.“ Recht hat der Mann, insbesondere, wenn man sich die Erfolgsleiter anschaut, die Coma in den letzten Jahren nach oben gestiegen sind. Mehrfach Platin, haufenweise Fryderyk Awards (das polnische Pendant zum Brit Award) und Auftritte mit Bands wie Pearl Jam, Linkin Park und Tool. In Polen füllen sie Stadien, da ist ein deutsche Clubtour vor durschnittlich 50 Leuten am Abend schon ein Kontrast.
„Das ist eine Herausforderung, aber eben auch der Reiz der Sache“, meint Piotr. „In Polen sind die Erwartungen an uns schon durch unseren Erfolg geprägt. Keiner unserer Fans dort hört unsere Musik, ohne schon zig andere Songs von uns zu kennen. Hier ist das Publikum völlig unvoreingenommen und wir haben die Gelegenheit unsere Songs neu auszuprobieren. Hier ist die Reaktion viel direkter, viel unvermittelter. Das ist grandios. Du stehst auf der Bühne und hast wieder richtig engen, direkten Kontakt mit deinen Fans.“ Der Neuanfang in Deutschland (und dem Rest von Europa) ist also mehr als nur eine Erweiterung der Plattenverkäufe, er stellt für die Rocker auch so etwas wie eine erneute Erdung dar. Eine Rückbesinnung auf das Handwerk hinter der Show, auf den Weg zum Erfolg. „Wir fühlen uns wieder daran erinnert, warum wir überhaupt erst mit der Musik angefangen haben. Auf eine gewisse Art ist das englischsprachige Album also auch eine Flucht aus Polen, ein Versuch sich anderweitig Gehör zu verschaffen.“
Doch eigentlich ist „Don’t Set The Dogs“ gar nicht der erste Versuch, sondern vielmehr der kräftige Sprung ins Wasser, nachdem die Band vor zwei Jahren mit „Excess“ zumindest per Internet schon den Fuß in Nass gehängt hatte, um die Temperatur vorzufühlen. „Ja, das stimmt. Aber ‚Excess‘ gab es nur online über unser polnisches Label. Und vor allem waren die Songs damals einfach nur übersetzt vom polnischen Original. Das ist jetzt anders. Diesmal habe ich zuerst auf Englisch geschrieben, um von den Eigenarten des polnischen nicht so beeinflusst zu sein. Dadurch sind es ganz eigenständige Songs geworden. Die Gedanken hinter den Songs sind eben auch nicht mehr polnisch, sondern englisch. Nur die Musik ist noch die selbe, ob auf Englisch oder Polnisch.“
Und das ist beim Rock dann ja auch die Hauptsache. Mit dem neuen Album jedenfalls haben es uns die Jungs leicht gemacht, uns unseren östlichen Nachbarn ein Stück näher zu kommen. Ein neuer Exportschlager steht vor der Tür. Reinhören und abrocken lohnt sich, wie Piotr meint: „Wann hast du das letzte mal polnische Musik gehört?“
Coma – „Don’t Set Your Dogs On Me“
Ursprünglich erschienen im Piranha 03/2013