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Jazz, Soul und die Sehnsucht nach Authentizität

Steve Wilsons Musik ist nicht konform, glatt oder eingängig im Sinne des Pop. Mit seinem dritten Solowerk „The Raven that Refused to Sing“ beweist der Multi-Instrumentalist einmal mehr, dass er sich gegen Mainstream-Trends stellt. Doch so sehr counter-culture sei das gar nicht, behauptet Wilson: „Es stimmt zwar, dass die Menschen immer mehr Technologie benutzen und Musik großteils nur noch digital existiert, aber eine Gegenbewegung ist auch da. Die Menschen sehnen sich nach Authentizität, nach einer Seele, die die Welt nicht mehr bietet. Und sie schauen dafür in die Vergangenheit.“ Aus diesem Grunde bewegt sich auch Wilson in musikalischen Regionen der 1970er Jahre. Er schafft komplexe Strukturen, Klangwelten aus Jazz, Progressive Rock und Klassik, die sich langsam entfalten und eine Nostalgie nach Größen wie Pink Floyd oder auch John Coltrane befriedigen. „Ich finde die Zeit damals unglaublich spannend,“ sagt Wilson, „weil die Musik so organisch war und lebte. Keine sterilen Rhythmen und kein mit Auto-Tune perfektionierter Pitch. Keine Drei-Minuten Wegwerf-Produkte sondern Kunst.“ Deswegen bauen sich die Songs des Albums so langsam auf, nehmen die Melodien Umwege und versteigen sich in Soli, die die Songs auf über zehn Minuten anschwellen lassen. „Raven“ ist ein wundervolles Gesamtkunstwerk für das es sich lohnt, sich Zeit zu nehmen, eine Platte aufzulegen und mal wieder auf die MP3 zu verzichten.

Steve Wilson – „The Raven That Refused To Sing“

Ursprünglich erschienen im Piranha 03/2013