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Musik so wie sie gemeint ist

Es ist eine Rückkehr zu den Basics, in eigentlich allen Aspekten. Nach ihrem Major-Label Ausflug sind Turbostaat unendlich froh, wieder im Underground zurück zu sein. Do-it-yourself wird daher zum Motto der neuen Platte erkoren.

Eigentlich ist freitags morgens zum Frühstück keine typische Zeit für ein Interview, insbesondere nicht, wenn man sich mit Punkmusikern trifft. Doch Tobert Knopp sitzt wider erwarten eifrig mit dem Handy beschäftigt und dem Kaffee halb ausgetrunken da und wartet auf das Gespräch. Er grinst aus seinem buschigen Vollbart und meint nur, so früh sei völlig normal, er sei schließlich Vater. Nicht leicht, das mit seinem Job als Musiker bei Turbostaat zu vereinbaren. Vor allem, wenn man mit seinen Idealen nicht in das Konzept der Musikbranche passen will.

Deswegen geht es auf „Stadt der Angst“, ihrem neuen Album, auch um die großen Fragen unserer Zeit: „Es geht um Geld und Angst, also das, was uns alle ständig berührt“, sagt Knopp. „Als wir an dem Album gearbeitet haben, da hatte ich gigantische Existenzängste. Und ich habe das Gefühl, das ging allen so. Aber wir wollten uns davon nicht klein kriegen lassen und alles ausverkaufen, an das wir glauben.“

Knopp ist überzeugt davon, dass die Platte vom kompromisslosen Streben der Band nach Authentizität profitiert hat. Er meint, sie alle seien an die Aufnahmen mit diesem Gefühl von DIY gegangen: „Wir haben die ganze Platte vorbereitet und einen Plan aufgestellt. Für die Proben, die Aufnahmen, die Tour, die Veröffentlichung – alles war fertig organisiert und kalkuliert. Wir wussten genau, wie wir das Album produzieren wollten. Und damit sind wir dann losgezogen und haben diesen Plan den Labels vorgelegt. Nach dem Motto, hier ist alles fertig, wir brauchen nur noch Summe X, dann können wir loslegen im Studio. Nur leider hat das bei den Majors niemanden interessiert. Da sind die Strukturen zu starr, da weiß keiner, was er mit uns machen soll, weil wir uns nicht reinreden lassen wollen.“ Das war dann auch das zentrale Argument, um die Aufnahmen mit dem kleinen Indie-Label Clouds Hill in derem eigenem Studio in Hamburg zu machen. Ganz wichtig war für Turbostaat, die Art und Weise, wie dort produziert wird: „Die haben dort klassische, analoge Aufnahmegeräte und man kann noch live auf Band einspielen. Dort kannst du Musik machen, noch ganz so wie sie mal gemeint war. Und wie wir es mögen, wie Musik klingen soll.“

Musikalisch merkt man das der Platte an, die eine rauhe Energie versprüht. Einige Experimente sind auch dabei, und einige ruhige Passagen. Vor allem aber repräsentiert das Album auch einen Aufruf: Wenn die Angst dich packt, wenn das System dich zu erdrücken droht, dann geh deinen eigenen Weg, verschaff dir Luft, in dem du dich der Angst verweigerst: „Mein ganz persönliches Verständnis des Titels, und das betone ich hier, ist dass Angst uns alle immer und überall im Griff hat. Und wenn man dieses Gefühl umsetzt und metaphorisch auf eine Stadt projiziert, dann wäre es doch spannend zu sehen, was passiert, wenn man versucht aus dieser Stadt herauszukommen. Die Angst also hinter sich zu lassen.“

Ursprünglich erschienen im Piranha 04/2013.