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Frohes Fest!

Es ist wieder diese Jahreszeit. Wenn man durch die Einkaufspassagen der Städte geht, dann schallt es von überall her ein frohes Fest. Mit „Happy Holiday“ outet sich Billy Idol nun ganz unerwartet als ein Weihnachtsfan.

Piranha

Irgendwann im November ist es soweit, ich rechne eigentlich jeden Tag mit dem musikalischen Tiefschlag. Meistens kann ich dem Ganzen noch bis zum Dezember ausweichen, doch es kommt unweigerlich. Ich stehe im Supermarkt, kaufe Biokäse und ganz unerwartet schallt aus der Lautsprecheranlage „Last Christmas“ von Wham! Und damit ist die Saison eingeläutet, ich weiß, ab jetzt gibt es mindestens einen Monat lang kein Entkommen. Weihnachten ist für mich musikalisch ein Horrortrip. Immer die gleichen sanften Schmalzstimmen, die einem süße Schneeflöckchenreime um die Ohren seiern. Bing Crosby bei meinem Bruder, Engelbert bei Oma und Wham! im Radio oder Club. Das geht gar nicht!
Ähnliche Gedanken müssen auch dem Punkrock-Urgetüm der 80er-Jahre Billy Idol alljährlich zum Fest durch den Kopf gegangen sein, oder wie sonst ist der Release von „Happy Holiday“ zu erklären? „Jedes Jahr zu Weihnachten war ich für die Musikauswahl zuständig, habe die üblichen CDs aus dem Schrank gekramt und aufgelegt. Irgendwann hatte ich einfach Lust meine eigene Stimme dem hinzufügen“, sagt Mr. Idol dazu und erspart sich die Kommentare zur Konkurrenz.
Dass ausgerechnet der einstige Schock-Punker des berüchtigten Sex Pistol Fanclubs Bromley Contigent sich als Fan von Santa Claus outen würde, ist mehr als unerwartet. Schließlich war seine Karriere bis heute eher von Skandalen und Kratzbürstigkeit geprägt. Anfang der 80er Jahre liefl er die original Punkattitüde sausen und griff zur Kommerzialisierung des Anti-Sounds, feierte in den 80er Jahren zig Erfolge, die ihm viele Fans einbrachten. Anfang der 90er Jahren wurde es still um den Mann mit den platin-blondierten Haaren und der rauchigen Stimme, zu wenig Innovation bot sein immer noch an Punkrock angelehntes Rockkonzept. Schließlich war er mehr mit Skandalen privater Natur in den Schlagzeilen, bis man ihn dank VH-1 Storyteller und Greatest Hits in den 2000ern wieder entdeckte. Letztes Lebenszeichen war dann „Devil’s Playground“, ein furioses und hartes Comeback-Album, im Jahre 2005. Das sein neuestes Werk sich dagegen an ganz klassische und erzkonservative Weihnachtssongs herantraut, die Mr. Idol nicht etwa durchgepunkt hat, ist ein sehr selbstbewusster Schritt. Er weiß um die Ironie und schmalzt in rauchigem Sound die Songs, unterlegt von Swing, Rockabilly oder einfach nur Klavier. Da finden sich kaum Gitarren und wenn der Blondie sich an „Frosty The Snowman“ oder „Winter Wonderland“ heranwagt, dann möchte man sich in Ehrfurcht vor so viel Real-Satire verbeugen. Wer hätte schon gedacht, er könnte Weihnachten Oma mal einen Punkrocker vorspielen, ohne dass die das überhaupt mitbekommen würde. Nur ab und zu kommt es dann doch vor, dass Mr. Idol sich an einen Song wagt, der so gar nicht über die von Alk und Rauch angenagten Stimmbänder will. Wenn „Blue Christmas“ oder „God Rest Ye, Merry Gentlemen“ ertönt, dann fragt man sich, ob er das nicht wohl doch todernst meint. „Es sollten einfach Songs sein, die ich mag und die mir Spaß machen“, erklärt er nur kurz dazu und man ist mit der eigenen Interpretation zurückgelassen. Egal, Spaß macht „Happy Holiday“ auf jeden Fall, und Hauptsache er hat nicht „Last Christmas“ gecovert. Frohes Fest!

Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 12/06.

King

Weihnachtsmusik, das sind doch Chorknaben, die von Schneeflocken oder von stillen Nächten singen, oder? Klar, bislang ist die Auswahl an Musik für das alljährliche Familienfest nicht gerade mit Frische gesegnet. Wie gut, dass die Abhilfe jetzt aus gänzlich unerwarteter Richtung kommt. Der 80er-Jahre-Schocker Billy Idol outet sich als Fan von Santa Claus. Trotz seiner bislang von Skandalen und Widerspenstigkeit geprägten Karriere, die zuletzt das Comeback-Album „Devil’s Playground“ hervorbrachte, versucht sich der platinblondierte Punker jetzt an ganz klassischen Weihnachtssongs. Nicht durch den Rockfleischwolf gedreht, nein, Mr. Idol schmalzt in rauchschwangerem Sound die Songs, unterlegt von Swing, Rockabilly oder Klavier. Egal ob „Frosty The Snowman“, „White Christmas“ oder „Silent Night“, Mr. Idol bietet uns seine Version der bekanntesten Xmas-Klassiker im stilvollen Gewand. So könnte man die CD Weihnachten Oma vorspielen, ohne dass die überhaupt mitbekommen würde, dass man Billy Idol hört. Na denn, Frohes Fest!

Der Artikel ist erschienen im KING Ausgabe 12/06.