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Kalkulierter Schockeffekt

Bei Bands aus Finnland läuft im Kopf bei mir ein Film ab, da sehe ich dunkle Mannen mit langen Zotteln die zu grunzendem Gesang mit schweren Gitarrenwänden klotzen. Und um die Verwirrung komplett zu machen, bekomme ich plötzlich diese Einladung zum Konzert von Disco Ensemble aus Finnland. Haben die bei der Plattenfirma nicht aufgepasst, Disco ist doch viel besser bei Kollegin Nora aufgehoben? „Ursprünglich war der Name sogar nur Disco, aber da gab es eine andere Band, die auch so hieß. Die Idee war: wenn die Leute zum Konzert kommen und plötzlich eine Punkband die Bühne betritt, dann ist das total schockierend,“ verrät Miikka, der Sänger der finnischen Post-Hardcore’ler, über die Namenswahl. Bandkollege Lasse ergänzt: „Die Leute zu irritieren ist gut, aber ich frage mich, wie viele Journalisten wohl noch die CD deswegen nicht beachtet haben?“ Ich verspreche Besserung, denn Disco Ensembles Debütalbum ist keineswegs Disco und auch kein Klischeemetal. Stattdessen gibt es knackige Powerhymnen mit Emo-Einschlag, musikalisch irgendwo zwischen Refused und Billy Talent. Da kann man so richtig die Energie spüren, die das dunkle Finnland erleuchtet. Miikka lacht: „Ja, das ist das Wichtigste. Wir wollen den Leuten, die Möglichkeit geben, mal so richtig Dampf abzulassen.“ Da freut es mich, dass ich doch noch der Einladung gefolgt bin.

Der Artikel ist erschienen im WOM Magazin Ausgabe 12/06.