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Wir können auch hart

Die Bestimmung von Musikgenres ist eine leidige Sache. Einerseits fühlen sich die Bands in den Schubladen eigentlich nie wohl, andererseits brauchen wir Musikjournalisten diese Kategorien, um damit dem geneigten Leser zu vermitteln, um was es sich bei der Musik gerade handelt. Das inflationäre Erfinden von neuen Genres hat in den letzten Jahren allerdings dazu geführt, dass man selbst als Schreiberling nicht mehr durchblickt. Eine dieser Genre-Kreationen, und auch noch die aktuell trendigste im harten Stromgitarrenbereich, ist Metalcore, eine energetische Mischung aus Hardcore und Metal. Die fünf deutschen Jungs von Caliban gelten als Veteranen des Fach und das sogar international. Ihre ersten Auftritte haben die noch recht jungen Musiker überall in Europa absolviert, da waren auch Jugendzentren in Frankreich eine Reise wert. Musikalisch verbreiten Caliban auf ihrem fünften regulären Album eine Mischung aus Gegensätzen. Einerseits hämmern kraftvolle Double-Bass-Beats, die Gitarrenriffs sind brachial und schwer, ebenso wie die Grunts und Shouts von Sänger Andy. Im nächsten Moment fährt der Sound zurück, und der mittlerweile besser geschulte Gesang von Denis wird hörbar, softe Elemente nehmen Härte und Schwere aus den Stücken, lassen sie im Kontrast noch stärker hervortreten. Gitarrist und Songwriter Marc Görtz erklärt die Entstehung der Mischung: „Wir machen uns keine Gedanken, ob etwas zu soft oder zu hart ist. Das Album muss insgesamt viele Gegensätze haben. Ruhiges und Hartes kommt dann ganz natürlich rein.“ „The Undying Darkness“ ist für Caliban-Verhältnisse deutlich massenkompatibler geworden, was sich vielleicht auch in der Coverversion von Björks „Army of Me“ widerspiegelt, für die man erstmalig mit einer Gastsängerin zusammen gearbeitet hat. Eine ungewöhnliche Wahl, aber logisch ins Konzept der Gegensätze passend: „Wir hören privat auch viele andere Musikrichtungen. Und es ist langweilig, wenn man im selben Musikgenre covert. Eine Umsetzung von etwas Fremden in den eigenen Stil ist halt interessanter.“ Dass man bei Metalcore jedoch nicht von Massenkompatibilität im Sinne der Charts oder Musiksender sprechen kann ist auch Marc klar. Ihm wäre der Kunstproduktcharakter der Charts zuwider: „Bei Top of the Pops würde ich nicht auftreten. Playback spielen wir nicht.“ Caliban sind über die letzten Jahre zu einer professionellen Band gewachsen. „Das war eine gesunde und natürliche Entwicklung,“ findet Marc. Stimmt, denn ein natürliches Verhältnis zur Musik hört man den Veteranen des Metalcore auf „The Undying Darkness“ auch an.

Der Artikel ist erschienen im WOM Magazin Ausgabe 03/06.
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