Den Biss zurückgewonnen
Mit ihrem letzten Album „Deftones“ vor drei Jahren schienen die einstigen Neuerer der harten Musik ihren Biss verloren zu haben. Das Album ging bei Kritik und Publikum unter. Mit Album Nummer Fünf haben sie ihn wieder.
Die Produktion des Vorgängers „Deftones“ war schwierig, die Stücke wirkten düster und schwermütig. Bassist Chi Cheng erklärt den Hang zur Schwere so: „Jedes Album entspricht immer dem aktuellen Stand der Band und in dieser Zeit waren wir gerade in einer echt schwierigen Phase, es war eine dunkle Zeit für uns. Wir schrieben das Album als einsame Satelliten, jeder für sich, nicht als Band zusammen, nicht geschlossen. Das machte dann wohl auch den Sound aus.“ Beim neuen Album „Saturday Night Wrist“ sieht das schon ganz anders aus. Die fünf Mannen aus Nordkalifornien haben sich zusammengerauft und ein Album der Extreme aufgenommen. „Das kommt von unserer Erregung. Vieles wird da gerne als Aggression dargestellt, aber in Wirklichkeit sind wir einfach nur aufgeregt und freuen uns, wieder eine Platte zu machen. Das ist Leidenschaft. Wenn uns etwas gefallen hat, dann haben wir uns darauf gestürzt. Wir waren wie ausgehungert“, erklärt Chi die wiederentdeckte Spielfreude der Band.
Das Ergebnis dieser gierigen Arbeitshaltung kann sich hören lassen. Die neuen Songs sind mal hart und kompromisslos, erinnern wieder an die raue Aggression von „Adrenaline“, mal sind sie aber auch experimentell, teils sogar elektronisch verspielt, wie es zuletzt auf dem Side-Projekt von Sänger Chino Moreno zu hören war. Hat dessen Spielerei mit Team Sleep etwa zu starken Einfluss auf „Saturday Night Wrist“ bekommen? „Nein, nicht mehr als auf den anderen Alben auch. Die Elektronik war schon immer Chino’s Ding, dafür gleicht Stephen das mit seinem harten Kram wieder aus. So war das schon immer. Wir sind nur von Album zu Album mutiger geworden, die einzelnen Elemente stärker hervortreten zu lassen. Wir lassen uns jetzt mehr darauf ein, dadurch bemerkt man es stärker“, erklärt Chi die zwei Pole, zwischen denen die Deftones wandern. Doch nicht nur die Musik der vier Instrumentalisten weist eine wiederentdeckte Leidenschaft auf, auch Chino’s Lethargie der letzten Alben scheint auf „Saturday Night Wrist“ verflogen. Chi lacht und freut sich, endlich wieder einen Sänger in der Band zu haben, der sich verausgabt: „Das kann Chino zwar besser beurteilen, aber wir als Band haben uns riesig gefreut, endlich wieder Wut und Leidenschaft in seinen Songs zu finden. Er scheint echt stinksauer gewesen zu sein, die Songs haben wieder Kraft und Ausdruck. Als wir das gehört haben, dachten wir: Klasse, er ist verdammt angepisst, hat wieder Feuer in der Stimme.“
Was aber in dieser Aussage auch durchklingt, ist die Verschlossenheit, die Chino noch immer mit sich trägt und die in seinen Texten einen Widerhall findet. Er sondert sich ab, ist nicht zu hundert Prozent Teil der Band. Chi wiegelt ab und meint, dass sei halt eben seine Art: „Am Ende einer Produktion ist es immer so, Chino schnappt sich die Musik und frickelt daran über Monate rum. Wir würden uns zwar manchmal wünschen, er würde sich mit einem Notizblock zu uns in den Proberaum setzen und die Lyrics schreiben, aber das kann er nicht. Er braucht den Abstand, um daran rumzuwerken.“ Ein Satellit bleibt also bestehen. Dennoch kann das Album eine Kohärenz aufweisen, die den Deftones seid „Around The Fur“ verloren gegangen war, und auch wieder den Biss, der so lange schon fehlte.
Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 11/06.