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Bitte Lächeln!

Manchmal hilft ein wenig Abstand vom Geschehen, ein Überblick aus der Vogelperspektive. Wenn man 10 Jahre lang an einem Projekt arbeitet, dann gerät es irgendwann automatisch zur Anstrengung, selbst wenn es die Arbeit an ein Projekt wie Incubus ist. „Das ist der Preis, den man bezahlt, wenn man so viel unterwegs ist. Wir waren im selben Trott und hatten keinen Abstand, um uns das Geschaffene überhaupt anzuschauen. Wir kamen an einen Punkt, an dem der Autopilot übernommen hat, was ich nicht leiden kann. Ich will meine Entscheidungen selber treffen, in vollem Bewusstsein,“ erklärt Sänger Brandon Boyd das Gefühl nach der letzten Tour von Incubus. Die Band nahm sich eine Auszeit, zwei Jahre Pause, die man für alternative Kreativprojekte nutzte. Eine fruchtbare Zeit, nach der sich die Band jetzt mit ihrem sechsten Album „Light Grenades“ zurückmeldet. „Wir fühlen uns runderneuert. Als ob wir die Möglichkeit hatten, noch mal neu zu beginnen. Es herrscht jetzt ein Gefühl neuen Elans.“ Boyd scheint sichtlich entspannt und voller Energie und wenn er vom neuen Album redet, schwingt eine Menge Selbstbewusstsein in seiner Stimme mit: „Dieses Album ist das treffendste Bild unserer Band. Wenn jedes Album ein Foto ist, dann ist dieses der selbstsicherste und überzeugendste Schnappschuss, den wir je gemacht haben,“ sagt Boyd selbst über das Album und greift damit eine Analogie auf, die die Musik mit der Fotografie verbindet. „Ja stimmt, es gibt in meiner derzeitigen Arbeit viel Nähe zur Fotografie, wenn auch nicht in voller Absicht. Aber wenn ein Foto gut ist, dann hat es die Kraft, die Zeit anzuhalten. So viel Macht und Einfluss kann Kunst auf dein Leben haben, eben auch die Musik. Sie kann dein Leben verändern und die Zeit stoppen. Sie kann dich Dinge wahrnehmen lassen, die du vorher nicht gesehen hast, völlig neu und unerwartet. Für mich macht sie die Welt viel kraftvoller. So als hätte jemand den Lautstärkeregler meines Lebens aufgedreht. Die Möglichkeit mein Leben als Künstler zu gestalten, erlaubt es mir, jeden Moment als Höhepunkt meiner Existenz zu erfahren.“ Boyd ist bekannt für seine im Rockbusiness eher ungewöhnliche, positive Weltsicht und auch mit „Light Grenades“ geht es ihm und der Band wieder darum, ein wenig Licht in das Dunkel zu werfen. Diesmal vielleicht sogar mit noch mehr Nachdruck: „In einer so dunklen Zeit ist die Musik wichtig, da sie ein großartiges Instrument der Kommunikation ist. Als solches ist sie völlig unterbewertet. Sie gibt mir eine Menge Hoffnung, weil sie einzigartig auf der Welt ist: universell, und völlig frei. Sie steht jedem zur Verfügung. Das lässt doch hoffen, oder?“, fragt Boyd und ist sich sicher, dass er mit „Light Grenades“ einen Teil zur Verständigung beitragen konnte.

Der Artikel ist erschienen im WOM Magazin Ausgabe 12/06.