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Die Illusion der unpolitischen Band

In der Vorabsingle zum neuen Album brüllt Nicholas Müller gegen die Gleichgültigkeit der Menschen an, gegen die Haltung nur dann Position zu beziehen, wenn es gerade opportun ist. Und doch behauptet er fest, seine Band sei nicht politisch…

„Wir versuchen mit Jupiter Jones keine dezidiert politischen Statements zu machen, sondern einzig eine nachvollziehbare Position zu finden: gegen Rechtsradikalismus und für den Menschen. Ich denke, dass es wichtig ist, Stellung zu beziehen und mache das auch gerne. Aber als politisches Vehikel sehe ich die Band nicht, das können andere besser.“ Nicholas Müller, Sänger der Band, ist davon überzeugt, dass unsere heutige Zeit mit ihren vermeintlich anonymen Technologien die opportunistische Meinung befördert: „Die Leute posten etwas im Internet ohne darüber nachzudenken, was sie da sagen. Da platzt mir die Hutschnur und ich muss antworten.“ „Was er auch ausführlich macht“, ergänzt Bandkollege Andreas Becker und verdreht leicht die Augen, „manchmal sogar in Romanform über Seiten.“

Wechselnde Meinungen

„Den unpolitischen Menschen als Konzept halte ich für Schwachsinn. Das fängt doch am Stammtisch an und dann kommen schnell Aussagen zustande, die man so nicht stehen lassen kann“, meint Müller. So kritisieren Jupiter Jones rechtsradikale oder völkische Aussagen und machen sich für Menschenrechte stark. Für sie ist es gerade die exponierte Position als Musiker, die eine große Verantwortung mit sich bringt. „Ich weiß, dass bestimmte Aussagen die Menschen polarisieren und wenn ich als Musiker so etwas in die Songs packe, dann verkauft sich das besonders gut. Aber dann später zu behaupten, man könne nichts dafür, wenn die Leute daraus ein Politikum machen, das ist Müll.“ Mit der Single „Denn sie wissen, was sie tun“ nehmen Jupiter Jones genau diese Haltung aufs Korn, auf eine explizite, wenn auch zynische Weise. „Ich hoffe, das versteht jeder. Ich finde Botschaften, gerade politische, müssen in Songs direkt verpackt sein. Aber weil ich das nicht besonders gut kann, konzentriere ich mich meist lieber auf das Zwischenmenschliche.“

Persönliche Texte

Und so steckt „Das Gegenteil von allem“ wieder voller persönlicher Botschaften, über die Liebe, das Leben und all die Probleme, die man darin so haben kann. Musikalisch bewegen sich Jupiter Jones dabei irgendwo zwischen Rock und Pop, mit der vereinzelten Anleihe aus früheren Punkrocktagen. „Es gibt zwei Optionen als Band, wie man sein neues Album selber beschreiben kann und beide sind ziemlich abgeramscht. Entweder man behauptet, man gehe zurück zu den Wurzeln oder aber man hätte die logische Weiterführung des letzten Albums erreichen wollen. Wir entscheiden uns für Nummer Zwei der abgedroschenen Phrasen.“ Müller ist herrlich selbstironisch, wenn er vom musikalischen Prozess spricht. „Kein Musiker gibt zu ein mediokres Album gemacht zu haben. Natürlich entwickeln wir uns weiter, aber das heißt ja nicht, dass wir nicht auch früher mal was falsch gemacht haben. Mit dem neuen Album haben wir das Gute erhalten und die Fehler von früher rausgeschmissen.“

Stiller Erfolg

Sicher nicht rausgeschmissen haben Jupiter Jones ihr Rezept für „Still“, mit dem sie überwältigenden Erfolg feiern konnten. „Wir haben nichts dagegen noch einen solchen Song zu schreiben, aber darauf angelegt haben wir es auch nicht“, meint Becker und auch Müller sieht in dem Song den Erfolg: „Als Kind wäre ‚Still‘ sicher das erfolgreichste, mit dem besten Abi und auf dem Weg zum Medizinstudium. Aber das heißt natürlich nicht, dass es auch das Lieblingskind ist. Das ist vielleicht der kleine schmuddelige Punk mit dem Iro und der frechen Klappe. Aber als Musiker hat man natürlich alle Kinder gleich lieb.“ „Ha“, lacht Becker, „das ist doch glatt gelogen. Aber ‚Still‘ ist alleine schon deswegen für uns ein Segen gewesen, weil wir jetzt alle Vollzeit als Musiker arbeiten können.“ Und natürlich, weil Jupiter Jones deswegen überhaupt erst die Position haben, als erfolgreiche Band eine Botschaft verbreiten zu können, ob diese nun politisch ist oder nicht.

Jupiter Jones – „Das Gegenteil von allem“

Track by Track

4-9-6 Millionen – Schwungvoller Opener mit positiver Energie und Botschaft, die gute Laune verbreitet. „Ich bin bereit“ heißt es nicht umsonst in dem Song.

Rennen Stolpern – Die erste Radiosingle des Albums. Schöne Popnummer mit hymnischen Refrain und nachdenklicheren, leiseren Strophen.

Denn sie wissen, was sie tun – Punkiger Teaser des Albums mit Ferris MC und Jennifer Rostock. Im Song brüllt Nicholas gegen Konformität und Gleichgültigkeit an.

Treppenwitz – Eingängige Midtempo-Nummer, in der Nicholas mit Leichtigkeit über sich selber und seine Botschaft lachen kann. Ideal für schöne Sommerabende.

Anderthalb Sommer – Treibender Rocksong mit intensivem Refrain. Mit der schönsten Textzeile überhaupt: „Die Windmühlen kotzen Blei“ – was auch immer damit gemeint ist.

Hunderttausend Typen wach – Einfühlsame und wunderschöne Ballade, die das Potential hat ein zweites „Still“ zu werden, ganz sanft und mit akustischen Gitarren.

Zuckerwasser – Mit Do-Wop-Chor und weiblicher Unterstützung im Refrain liegt auch diese Midtempo-Nummer über Jugenderinnerungen nah am Pop.

Glücklich (Wir müssen üben) – Die Herkunft der Band aus dem Punk kommt manchmal noch durch, so wie hier. Nach vorne rockende Nummer über selbstverschuldete Unzufriedenheit.

Die Landung – Einfach davon fliegen und sich um nichts kümmern. Eine schöne Rocknummer mit Mitsing-Refrain.

Momentaufnahme 3 (Schrödingers Dilemma) – Der Song dreht noch mal richtig auf, mit schrammelnden Gitarren und einer druckvollen Rhythmussektion.

Alles, was ich weiß – Atmosphärischer Rocksong mit intensiven Lyrics, der in einem langen, atemlosen Outro endet.

Ursprünglich erschienen als CD des Monats im Piranha 10/2013