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Die Band deiner Jugend

Die Generation Rock ist erwachsen geworden, genauso wie ihre musikalischen Vorbilder von Revolverheld. Mit dem vierten Album bleibt die Band aus Hamburg „Immer in Bewegung“ und zeigt, dass es schon ganz ok ist, älter zu werden.

Doch was genau ist eigentlich anders geworden, zwischen Anfang Zwanzig und Mitte Dreißig, in den mehr als zehn Jahren ihre Bandgeschichte? „Wir sind gelassener geworden und können den Trip jetzt mehr geniessen“, sagt Johannes Strate und lehnt sich entspannt zurück auf dem dicken, weichen Sofa im ‚Koje‘ genannten Zimmer des Hamburger Designhotels mit maritimem Flair. Neben ihm sitzt Bandkollege Kris Hünecke und stimmt zu: „Wir wissen den Job heute mehr zu schätzen, damals konnten wir einfach noch nicht damit umgehen.“ Ein Song auf dem Album heißt „Bands deiner Jugend“ und verweist auf die Vergänglichkeit musikalischer Heroen. Ein Wandel, der sich auch in der Band selbst widerspiegelt: „Ohne jetzt wehleidig zu werden, aber wir sind eben nicht mehr die jungen Kerle voller Testosteron“, gibt Strate zu, „und wir müssen mit unseren Songs nicht mehr ständig auf die Kacke hauen.“

Die revolutionäre Haltung der Generation Rock ist also gemäßigter geworden, doch die Musik hat dafür an Vielseitigkeit gewonnen und sich zumindest in Teilen von den klaren Rockstrukturen verabschiedet: „Wir haben diesmal kein reines Gitarrenband-Album aufgenommen, sondern einen geradezu Coldplay-esquen Sound gefunden. Unser Produzenten Philip Steinke hat mit seinen Ideen dazu beigetragen und so manchen Song noch mal völlig umgekrempelt. Wir haben experimentiert und ein deutlich anderes Album aufgenommen“, so Strate. Und tatsächlich finden sich rockfremde Elemente wie Piano, Orchester und aufgebrochenen Beats auf dem Album und machen „Immer in Bewegung“ zum variabelsten Album ihrer Karriere. „Wir mögen es halt ganz gerne, wenn die Genregrenzen mal verschwimmen“, wirft Hünecke ein: „Der Einheitsbrei im Radio geht uns auf den Nerv und ich habe das Gefühl, ich höre dort immer wieder den selben Song. Entsprechend sehen wir das als Motivation bessere und tiefgründigere Musik zu machen.“

Eine Musik, die auch nach 10 Jahren noch direkt und ohne große Umschweife auf den Punkt kommt. „Wir stehen nicht auf kryptische Nachrichten und versteckte Aussagen. Ich schreibe viel über das Leben“, sagt Strate und schaut aus dem Fenster über den Hamburger Hafen – als ob dort die Antwort auf die Frage nach der Botschaft der Band läge. „Ist schon interessant, dass da durchaus was reingelesen wird“, meint Hünecke: „In ‚Neu anfangen‘ etwa werden viele Leute mehr politische Aussage finden als im Parteiprogramm der SPD, aber es ist nicht explizit so gemeint.“ Falsch verstanden zu werden stört die Band aber nicht, gelassen wie sie jetzt sind. Strate lacht und meint: „Wir singen, wie wir reden und wie wir sind. Kritiker meinen dann, wir seien dumm, weil wir die Aussage nicht anders verpacken könnten. Aber der ganze Anspruch ist doch überzogen – wir singen über die Liebe. Punkt.“

Revolverheld – „Immer in Bewegung“

Ursprünglich erschienen im Piranha 10/2013