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Game-Tipp: Beyond: Two Souls

Einige der Hauptkritikpunkte den die Apostel der Hochkultur immer wieder aus der Klischeekiste ziehen, um den vermeintlichen Minderwert von Videospielen zu belegen, ist deren angebliche Oberflächlichkeit, die Verbreitung von sinnfreier Gewalt und eine generelle Schwäche in Sachen bedeutsamer Botschaft. In der Videospielbranche lösen diese Klischees meist Rechtfertigungsmechanismen aus, bei denen allgemein vom „jungen“ und sich noch entwickelnden Medium gesprochen wird und dann eine Anzahl Titel aufgereiht wird, die den Vorwürfen widersprechen – „Heavy Rain“ etwa, die „BioShock“-Reihe, eventuell „Portal“. Seit Anfang Oktober dürfte sich nun auch „Beyond: Two Souls“ dazu gesellen.

Und aus Sicht der Kulturkritik gesprochen macht das sicher auch Sinn, bietet das Spiel doch eine nahezu fotorealistische Geschichte mit brillianten Hollywood-Stars (Ellen Page und Willem Dafoe) um eine junge Frau und ihre Verbindung zu einer dunklen Entität aus einer anderen Realität. Die Frage, die hinter der Story von Jodie Holmes steht, ist schlicht, was mit uns passiert, wenn wir sterben. Was ist das Jenseits und was wäre, wenn wir eine Verbindung dorthin hätten? Das Spiel macht dabei nach den Kategorien des großen Blockbuster-Kinos alles richtig: der „Schnitt“ ist rasant, die Actionsequenzen fordern den „Zuschauer“ heraus, die emotionale Lenkung funktioniert und wir fühlen uns mit Jodie von Anfang an verbunden, fiebern mit ihr mit. Dazu kommt die Anordnung der „Szenen“, die beabsichtigt das Bild der Geschichte fragmentiert, so dass wir erst durch das langsame Zusammensetzen der Bruchstücke ein Verständnis für Jodies langjähriges Leiden erlangen – sowohl ihre Kindheit in einem Versuchslabor, als auch ihre abrupt endende Karriere beim CIA und ihre Flucht vor den Behörden müssen wir erst zu einer kohärenten Story aneinanderfügen, die natürlich am Ende einige unerwartete Wendungen nimmt. Gewalt spielt dabei eine Nebenrolle, weil nicht Jodie sondern die Entität Aiden sich dieser bemächtigt, um Jodie zu beschützen. Und in Sachen tiefsinniger Bedeutung sei darauf verwiesen, dass neben der metaphysischen Diskussion um das Jenseits auch Kritik am militärisch-industriellen Komplex und deren Konsum bzw. Verwertung von menschlichen Gütern deutlich im Spiel durchscheint.

„Beyond: Two Souls“ macht also alles richtig. Für einen Film – oder eben für ein Medium, das wie ein Film wirken und wahrgenommen werden will. Nur, „Beyond“ ist ein Spiel und so muss man sich auch die Frage stellen, warum ein Spiel wie ein Film wirken will? Dabei lenkt das Spiel die Hauptfigur (und somit den Spieler) deutlich entlang einer Entwicklungslinie, von der Abweichungen nur minimal möglich sind. Und selbst die neuartige Steuerung, das unaufdringliche Interface und die direkte Umsetzung spielerischer Kontrolle können nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich bei „Beyond“ eher um ein interaktives Drama handelt. Um einen Film, den ich selber steuere. Natürlich schmälert das nicht die Leistung dieses wundervollen Titels, der gerade in Hinsicht auf Charakterzeichnung und Storyline ein Meisterwerk der visuellen Erzählkunst darstellt. Interaktiv am Film mitwirken sollte man auf jeden Fall – es lohnt sich. Nur ob „Beyond: Two Souls“ dem Medium Spiel damit zu einem besseren Leumund in der Kulturkritik verhilft, das wage ich zu bezweifeln.

Ursprünglich erschienen im Kreuzer 11/2013