Game-Tipp: Batman: Arkham Origins
Heiligabend, es regnet. In Gotham City ist der Weihnachtsmann nicht der Einzige, der sich still und leise durch die Nacht stiehlt. Es gibt viele dunkle Ecken und düstere Gassen, wo das Verbrechen regiert. Marodierende Straßengangs, korrupte Polizeibeamte und verbrecherische Geschäftsleute gehören in Gotham zum Alltag. Nur einer wagt es, sich ihnen entgegen zu stellen.
Stille Nacht in Gotham City
»Batman: Arkham Origins« beginnt etwa fünf Jahre vor den Ereignissen von »Arkham Asylum«, das zu dieser Zeit noch eine verlassene Insel vor der Stadt ist. Bruce Wayne hat sich erst zwei Jahre zuvor dazu entschlossen, sein Lackleder-Outfit anzulegen und des Nächtens dem Verbrechen einen Riegel vorzuschieben. Bislang ist er nur ein Mythos, ein Angst einflößendes Flüstern in den Ohren der Schläger, Halsabschneider und Diebe der Stadt. Seine Gegner sind Einbrecher, Schläger und Drogenschmuggler. Nichts Besonderes für Batman, der als einsamer Rächer für Selbstjustiz sorgt, weil er die Polizei für einen korrupten Apparat hält. Außer Alfred, seinem treuen Butler, hat er keine Verbündete, keine Helfer oder Freunde. Sein Auftreten ist grimmig und harsch. Schlag erst, frag später – das ist seine Devise, und bislang hat das gut geklappt.
Doch ausgerechnet an Heiligabend gibt es einen Vorfall im Blackgate Gefängnis und der Mafioso Black Mask ist darin involviert. Bei seinen Untersuchungen stellt Batman fest, dass er den Bösewichten der Stadt einmal zu oft mit dem Lederstiefel in den Hintern getreten hat. Black Mask hat ein Kopfgeld auf die Fledermaus ausgesetzt. Ergo wollen mehrere fiese Meuchelmörder dem schwarz gekleideten Recken an die Gurgel: Deathstroke, Deadshot, Firefly und noch fünf weitere. Nebenbei nutzen Gangs, korrupte Polizisten, aber auch Schurken wie Waffenhändler Pinguin oder Mediahacker Enigma die Gunst der Stunde, um ihre Geschäfte voranzutreiben. Es bleibt Batman also nichts anderes übrig, als Alfreds Weihnachtsbraten links liegen zu lassen. Er nimmt sich der Probleme von Gotham City an. Je näher er jedoch Black Mask und seinen Spießgesellen kommt, desto unübersichtlicher wird die Situation. Es scheint, als habe jemand anderes, jemand weitaus gefährlicheres die Finger im Spiel und ziehe die Fäden aus dem Dunkel. Batman steht vor der größten Herausforderung seines jungen »Heldendaseins« und schon bald muss der Rächer sich entscheiden, aus welchen Gründen er das Verbrechen bekämpft und wie er sich gegen die eskalierende Gewalt zur Wehr setzt.
Die Erschaffung eines Superhelden
»Batman: Arkham Origins« ist eine Entstehungsgeschichte. Nicht die Geschichte des kleinen Bruce, dessen Eltern ermordet werden und der später beschließt, zur Fledermaus zu werden. »Origins« erzählt vielmehr die Geschichte, wie aus einem egozentrischen Millionär mit Bindungsängsten ein waschechter Superheld wird, der es sich zur Aufgabe macht, für das Gute in Gotham zu kämpfen und seine Stadt zu retten. Das Spiel porträtiert Batman ungewöhnlich einsiedlerisch, es zeigt ihn blindlings handelnd und ohne Reflexion für das große Ganze – das ist eine Lektion, die er im Spiel durch die Konfrontation mit den Killern und durch die immer mehr außer Kontrolle geratenden Ereignisse des Abends erlernen muss. Batman lernt seine Grenzen kennen, er ist auf Hilfe angewiesen und muss sich erstmals in seiner Arbeit als Verbrechensbekämpfer in eine Kooperation begeben. Er braucht Alfreds Weisheit, Oracles Überblick und Informationen, Gordons festen moralischen Kompass, dessen Unterstützung und vieles mehr, was zu Spielbeginn jedoch alles fehlt. Aber genau hier liegt der Reiz von »Origins«, der wie ein Bildungsroman Batman erst ungestüm und impulsiv in die falsche Richtung rennen lässt. Eine Konfrontation im Gotham City Police Department gehört zu den ersten Leveln des Spiels. Nach und nach jedoch entdeckt Batman Verbündete, die ihm helfen, den wahnsinnigen Machenschaften eines Superschurken auf die Spur zu kommen. Und so wird aus dem Rächer ein Held.
Altes bewahren, Neues ergänzen
Spielmechanisch steht »Batman: Arkham Origins« aus genau diesem Grund vor einem Dilemma. Denn in der Welt von Gotham darf sich nicht zu viel verändern, schließlich will das Spiel die Vorgeschichte zu bestehenden Produkten sein. Batman muss Batman bleiben – ein radikaler Bruch würde die Fangemeinde der »Vorgänger« verschrecken. Und so hat sich Warner Games Montreal, die für Rocksteady Studios die Entwicklung übernommen haben, dazu entschlossen, an der grundlegenden Mechanik des Spiels nicht zu rütteln. Immer noch gleitet Batman sicher und leise über die dunklen Dächer, schnellt er Fäuste schwingend zwischen zig Gegnern hin und her und prügelt diese bewusstlos, um sie dann der Polizei zu übergeben. Die Basis des Spiels ist und bleibt die Action – Kämpfe im Freeflow, unterschiedliche Kombos für die diversen Gegnerarten und jede Menge »Unsichtbarer Jäger«-Momente, in denen Batman die Bösen einzeln und heimlich durch Spezialattacken ausschaltet.
Trotzdem will ein neues Spiel auch immer etwas Neues bieten. »Origins« soll ja nicht nur eine erweiterte Levelkarte für »Arkham City« sein. So umfassen die Kulissen gegenüber der Rocksteady-Produktion aus dem Jahr 2011 fast die doppelte Fläche. Und die füllt Warner Games Montreal mit neuen Inhalten. Man ergänzt ein Schnellreise-System, einige neue Gadgets wie die Elektro-Handschuhe oder die Fernlenkkralle – Achtung, Logiklücke: Warum hat Batman dann später in »Asylum« keinen Zugriff auf diese Dinge? – sowie ein neues Trainingssystem und neue Herausforderungen. Auch in der Variabilität der Aufgaben Batmans wird das Spiel erweitert. Für die Action sorgen die Kämpfe, das Geschick ist in Sachen »Jägermodus« gefragt und Rätsel muss man dank Enigmas Puzzle-Einlagen zuhauf bewältigen. Neu im Verbund ist der Ausbau des Adventure-Aspekts, bei dem Batman deduktiv Verbrechen aufklären muss. Die Fallakten von Verbrechen, die in Gotham begangen wurden, lassen sich mit Hilfe der Detektivsicht eindrucksvoll lösen. Neben der Spielmechanik fällt vor allem in Sachen Grafik auf, dass sich »Batman: Arkham Origins« allzu nah am Vorgängerspiel orientiert. Klar, die Stadt hat teilweise andere Gebäude, weil ja zum Beispiel Arkham noch gar nicht existiert. Aber was Atmosphäre und Texturen betrifft, trennt die beiden wenig – hier wäre mehr Differenzierung schön gewesen. Warum nicht zum Beispiel mal Passanten über die Straße scheuchen, wie das in einer »normalen« Stadt ja zu erwarten wäre? Das alles ist zwar in Hinblick auf die Stimmung nicht problematisch, aber das Potenzial der aktuellen Konsolengeneration schöpft das Ganze nicht aus. Auch das Sounddesign bleibt bewährten Konzepten treu. Wiederum sprechen mit David Nathan alias Christian Bale und Jürgen Thormann alias Michael Caine die bekannten Synhronsprecher der »Dark Knight«-Reihe die Rollen von Batman und Alfred. Das funktioniert für Fans natürlich blendend.
Wo es hakt
Im Vergleich mit dem Höhepunkt, der »Arkham City« seit zwei Jahren zweifelsohne war und ist, fehlt allerdings der letzte Feinschliff. So bleibt die Steuerung zwar im Wesentlichen gleich, doch gerade bei Szenen in engen Räumen mit vielen Interaktionsgegenständen und Gegnern ist die Präzision nicht so gut wie im Vorgängerspiel. Auch und gerade die Kameraperspektiven, die automatisch wechseln, tun dies teilweise ungeschickt oder gar spielstörend. Die Leveldesigns sind sehr linear, was angesichts der offenen Welt Gothams irritiert. Manchmal sind die Enigma-Puzzle oder die Fallakten extrem einschränkend programmiert und der Spieler muss bestimmte, sehr willkürlich gesetzte Aktionen abwarten, bevor eine Handlung ausführbar wird. Das geht in einem Fall sogar so weit, dass Batman an einer langen Balustrade, die mit einem Gitter in zwei Abschnitte unterteilt ist, seine Batclaw rechts vom Gitter nutzen kann, links jedoch nicht. Solche Logikbarrieren findet man häufiger im Spiel. Auch hinsichtlich der Dialoge mit anderen Charakteren oder der Animationen von Nebenfiguren gibt es kleinere Unstimmigkeiten. Nichts Weltbewegendes und kaum den Spielfluss hemmend, doch es zeigt, dass hier in der Produktion respektive der Testphase die eine oder andere Abkürzung genommen wurde. Problematischer, zumindest für unerfahrene Spieler, ist der Schwierigkeitsgrad, der sich selbst in der Einstellung »normal« stellenweise schon ziemlich knackig präsentiert. Da »Origins« kein Umschalten der Herausforderungsstufe innerhalb des Spiels für bestimmte Szenen zulässt, kann es schon frustrierend sein, sich durch 50 Prozent der Story gekämpft zu haben, nur um dann an einem verflixten Bosskampf zu scheitern und nicht weiter zu kommen. Eine flexible Einstellung – zumindest zwischen »leicht« und »normal« – wäre hier freundlicher gewesen, statt Einsteiger zu zwingen, alles erneut durchspielen zu müssen. Könner werden sich jedoch freuen, denn nebst der Einstellung »schwer« bietet das Spiel mit dem »Ich bin die Nacht«-Modus einen vierten, im wahrsten Sinne des Wortes brutal harten Schwierigkeitsgrad. Hier verfügt Batman nur über ein Leben. Speichermöglichkeiten sind nicht vorgesehen.
Fan-Welten
Am Ende entscheidet über den Unterhaltungswert eines Spiels aber nicht, ob eine Logiklücke oder ein neues Gadget das Spaßbarometer nach oben oder unten gedrückt haben. Viel wichtiger ist, dass »Batman: Arkham Origins« – wie auch seine Vorgänger – eine packende Geschichte zu erzählen weiß und einen von Anfang bis Ende nicht mehr los lässt. Wir Fans fiebern mit; wollen Firefly beim Zündeln erwischen; Deadshot ein Auge zudrücken und leise wissend in uns reinlächeln, wenn man Harleen Quinzel als schüchterner Jungdoktorin begegnet. Wir lieben versteckte Hinweise auf Queen Industries, die auf einen Crossover hoffen lassen oder einfach nur dem Zweck dienen, eine falsche Fährte zu legen. Und wir sehen Batman gerne zu, wie er sich verändert und zu dem wird, den wir kennen und lieben. Das ist es, was den Kick von »Origins« ausmacht. Es bietet dem Fan-Herz genug Anknüpfpunkte und verändert gerade soviel, dass wir begierig mehr haben wollen. Und das kriegen wir dann auch: eine zehn bis zwölf Stunden umfassende Story, die von etlichen Schurken berichtet und ihren Plänen zur Vernichtung von Gotham City. Dazu kommen unzählige Kampf- und Jägerherausforderungen, ein System zur Verbesserung der eigenen Fertigkeiten, Dutzende Puzzles, jede Menge aufzuklärende Fallakten und ein brandneuer Mehrspieler-Modus. Na dann: Frohes Fest!