Zurück in die Zukunft

Der Holländer Tom Holkenborg ist ein Kind der elektronischen Musikrevolution. Seit den 80er Jahren macht er Musik, und hat immer wieder versucht die technischen Möglichkeiten auszu-reizen, die es gerade gab. Von New Wave bis Electroclash hat er alles ausprobiert. 

Die erste Erfahrung mit Musik war noch klassisch: Mama war es, die den jungen Tom mit Gitarre und Klavier malträtierte. Doch der Bengel war zu vielseitig, suchte sich schon in jungen Jahren einen elektronischen Spielplatz: die New Wave Forma-tion Weekend At Waikiki. Dann in den 90er Jahren waren die Gitarren plötzlich wieder interessanter und die wahre Innovation der Musik lag in der Kombination von fetten Beats, harten Riffs und Clubsounds. Erst in Form der Industrialband Nerve, dann schließlich unter dem Namen Junkie XL, hatte Tom den Ton des Zeitgeistes gefunden. Zusammen mit Rapper Rudeboy wurde ihr Debüt Saturday Teenage Kick 1998 ein Mega-Erfolg und die beiden gingen inklusive Band auf Livetour mit The Prodigy. Irgendwann trennten sich beide und Tom machte mit diversen Sängern weiter. Das geniale Radio JXL: A Broadcast From The Computer Hell Cabin ist programmatisch für eine stete Entwicklung im Leben des Tom Holkenborg: „Es war damals nicht mehr praktikabel mit Band auf der Bühne zu stehen. Bei sovielen Gastsängern ging das nicht mehr. Deswegen wurden meine Liveauftritte immer mehr zu Club-Sets.“

Diesen Weg hat er nun auf Booming Back At You zur Vollendung gebracht, denn die zwölf Tracks auf dem Album sind allesamt Clubkracher. „Ja, ich habe im Studio gesessen und mir vorge-nommen, dass jeder Track für sich stehen sollte. Diesmal ist es kein Konzeptalbum geworden. Die Tracks sollten alle live funktionieren. Und da ich eben alleine im Club spiele sind es allesamt Clubtracks geworden. Hochenergetisch und mit voller Wucht zum Tanzen. Das war mir wichtig,“ erklärt Tom und verweist damit auf einen Aspekt des Albums. Doch ein anderer ist die Tatsache, dass die Musik sich stark aus seinen Wurzeln speist und mit einer Coverversion von Siouxsie and the Banshees „Cities in Dust“ sogar auf den New Wave seiner Anfänge rekurriert. Eine Coverversion, die jedoch nichts an Tanzbarkeit und Clubatmosphäre eingebüsst hat, trotz der offensichtlichen 80er Anleihen. Tom lacht dazu nur: „Klar Mann, diese Musik hat mich geprägt und ich habe schon immer die 80er zitiert. Das ist ja das großartige an der heutigen Zeit. Man kann Musik viel freier gestalten. Ich habe jetzt jede technische Möglichkeit, alles das zu tun, was ich für kreativ richtig und wichtig halte. Es gibt keine Grenzen mehr. Damals ging das nicht, da waren wir eine handvoll Musiker im Studio und ein 4-Track lief. Heute kann ich so viel machen, rein technisch. Da gibt es keine Grenzen mehr.“ Doch die Freiheit ist nicht nur in technischer Hinsicht für Tom das wichtigste Element der Zeit, auch die kreativen Einflüsse sind seiner Meinung nach enorm vielfältig: „Ich kann jede Zeit, jeden Stil von Musik zitieren. Alles ist erlaubt. Und dank Electroclash gibt es auch keine Stilgrenzen mehr. Die Leute hören nicht mehr Rock oder Dance oder Hiphop. Sie hören Musik, egal aus welchen Quellen sie sich speist. Das ist großartig und ich liebe es, in dieser Zeit Musik zu machen.“ Voller Energie und Drive ist Junkie XL also in der Zukunft angekommen, und oh, mein Gott: sie klingt wie die 80er Jahre!

Ursprünglich erschienen in Piranha 03/2008