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Die Entdeckung der Langsamkeit

Drei Jahre zwischen erster EP und Debütalbum sind eine lange Zeit, doch für Rob Goodwin, Sänger der britischen Band The Slow Show ist die Bedächtigkeit eine wichtige Tugend, die man allzu oft vergisst.

„Ein Grund für die lange Produktionszeit des Albums ist sicher unsere Obsession, allem den bestmöglichen und authentischen Klang zu verleihen. Wir haben deswegen viel Zeit in die musikalischen Texturen investiert und am Klang gefeilt. Aber das Album ist deswegen nicht übermäßig dicht geworden. Wir hatten das Gefühl, es unseren Fans zu schulden, ein Album abzuliefern, auf das wir Stolz sind und das alle glücklich macht.“ Goodwin beschreibt hier allerdings keineswegs typischen Manchester-Sound, kein Brit-Pop-Album, sondern vielmehr eine Melange aus unterschiedlichen Musikeinflüssen, die sich vor allem durch in Moll gehaltenes Songwriting und eine variable minimalistische Instrumentierung auszeichnet. „Die Gefühlsebene der Songs ist uns wichtig. Die Intention ist dabei nie, einen melancholischen Song zu schreiben, aber wir fühlen uns emotional davon einfach angezogen, sowohl in den Lyrics als auch bei der Instrumentierung. Die Musik ist aber nicht zwangsläufig traurig, es gibt auch erhebende Momente.“ So etwa, Goodwin seinen samtenen Bariton von minimalistisch eingesetzen Streichern tragen lässt und über die Liebe singt. Dann wieder klingen The Slow Show nach Johnny Cashs „American Recordings“ und ein Hauch Americana wehen über Manchester. Goodwin bezeichnet Künstler wie Tom Waits oder Neil Young als Vorbilder, sieht aber die Inspiration für die Musik nicht an einen regionalen Sound gebunden: „Die Inspiration ist überall um uns herum, du musst nur hinsehen. Wir sind alle recht unterschiedlich in unseren Geschmäckern und haben sehr verschiedene Stile mit in die Band gebracht. Klar, wir mögen die amerikanische Songwriter-Tradition, aber sie ist auch nicht übermäßig deutlich auf dem Album zu hören.“ Das stimmt, denn neben klassischen Streicher-Ensembles, den sanften Gitarren der Band und bereits erwähnter Stimme Goodwins, klingen auf „White Water“ auch britisch-regionale Klänge durch. Auf einmal sind die Chöre und Blaskapellen des englischen Nordens hörbar, wie ein heimatlicher Anker, der die Band an ihre Wurzeln bindet: „Wir stammen nicht mal alle von hier. Aber wir haben uns in Manchester getroffen und lieben die Stadt einfach. Die Blechbläser sind ein Salut an diese Region, an die Bergarbeiter und die Stadt, die uns zur ‚Heima‘ geworden ist. Die Textur der Blechinstrumente ist so wundervoll, dass wir das einfach nicht missen wollten und nun fühlt es sich eben wie ein wichtiger Teil von unserem Sound an, wie alles andere auch.“ Insgesamt ist „White Water“ damit ein im Klang variables Debüt, das in leisen Tönen und in aller Ruhe die Band einem neuen Publikum vorstellt und gerade wegen der Bedächtigkeit des Sounds für die Zukunft viel Großes verspricht.

Ursprünglich erschienen im Piranha 03/2015