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Ein Nomade wird sesshaft

Den meisten dürfte Peter Murphy noch aus seinen jungen Tagen in den 80ern als Sänger von Bauhaus bekannt sein, doch der Mann mit der dunkel-enigmatischen Stimme hat sich seither als vielseitiger und viel beschäftigter Musiker erwiesen.

Seit dem ersten und eigentlichen Ende von Bauhaus 1983 ergeht es Peter Murphy in musikalischer Hinsicht immer gleich: er wird auf seine Vergangenheit reduziert und seine Musik mit dem übermächtigen Sound der legendären Band verglichen. Dabei hat Murphy seit 1986 ein großartiges Soloalbum nach dem anderen veröffentlicht, obwohl er sich nie auf einen einzelnen Stil festlegen konnte. Die Alben pendelten zwischen dezentem Wave, klarem Pop und orientalischer World Music hin und her ohne sich in Kategorien zu verfangen. Mit Ninth legt der Mann nun sein achtes (!) reguläres Studioalbum vor und verwirrt die Presse mit seiner eigensinnige Zählweise: „Ich zähle einfach anders als die Medien“, sagt Murphy und lacht aus rauer, dunkler Kehle: „Für mich ist Wild Birds [das Best-of Album] eben auch eine Platte und Ninth damit die neunte, die ich vorlege. Die Zahl ist nicht so wichtig, es geht viel mehr um das Wort – ich mag diesen evozierenden Klang, diese direkte Ansprache, die aus dem Titel hervorgeht.“

Die Musik, die sich auf Ninth findet, spiegelt diese Direktheit und offenbart Murphy – im Gegensatz zu beispielsweise Dust (2002) – von seiner rockig-wavigen Seite. Die exotischere Komponente des Orientalismus vorheriger Alben steht dieses Mal dezent zurück: „Meine Musik entspringt aus zwei Quellen, denn ich habe neben meinen aktuellen Einflüssen ja sehr wohl auch eine im Rock und Wave begründete Vergangenheit, die ich nicht leugnen kann oder will. Mit Ninth ging es mir darum, mich dieser zu stellen, sie zu diskutieren und dieser härteren, direkteren Seite eine Stimme zu verleihen. Die Elektronik und das Ethnische meiner Musik mussten da teilweise weichen, weil das zu sehr nach einem Bruch geklungen hätte.“

Und so hat Murphy in den Sessions alle längeren, komplexeren Stücke gemieden, hat sie für später beiseite gepackt und konzentriert sich mit Ninth auf Ursprünge, die er so deutlich, so spürbar schon lange nicht mehr bestätigt hat. Die Songs wirken organisch, handgemacht und sehr in einer dunklen, melancholischen Ruhe begründet, die vielleicht auch auf Murphys erstmals in 20 Jahren stabilisiertes Umfeld zurück zu führen ist: „Ich bin sehr nomadisch in meiner Art Musik zu machen und schreibe mit anderen Musikern zusammen die Songs. Ich habe bei den letzten Alben immer nach neuen Kooperationspartnern gesucht und bin umhergewandert. Bei diesem Album habe ich erstmals das Gefühl, endlich ein Team, ein Umfeld gefunden zu haben, bei dem ich bleiben möchte. Ich glaube, das nächste Album mache ich tatsächlich mit denselben Menschen. Das ist neu für mich und fühlt sich an, als sei ich endlich angekommen.“ Es wäre zu wünschen, denn Ninth ist ein gelungener Schritt, die beiden einstmals konkurrierenden Seiten Murphys zu vereinen und so einer gemeinsamen Kreativität Raum zu bieten.

Ursprünglich erschienen im Piranha 06/2011 und hier auf Piranha.tv.