Triumph des harten Sounds

Der Name ist hier eigentlich Programm, denn wie fast jeder Künstler mussten auch I Prevail über das leidliche Virus obsiegen, um am Ende der Pause mit einem neuen und starken Album dazustehen.

„Wir waren gerade von einer super erfolgreichen Stadiontour zurück,“ lässt Sänger Eric Vanlerberghe die Zeit noch mal Revue passieren, „und dann war alles zu. Als klar wurde, dass es kein absehbares Enddatum für die Pause gibt, haben wir entschlossen das neue Album zu schreiben. Ohne Limits, immer mit der Option alles noch mal wieder ändern zu können. Es gab ja keinen Abgabetermin, keine Tour. Wir konnten uns richtig viel Zeit lassen.“ Der Zeitpunkt der Zwangspause war zugleich perfekt und doch seltsam, denn mit dem Vorgänger „Trauma“ hatte die Band den Sprung in die Arenen geschafft und schwamm auf einer regelrechten Welle des Zuspruchs und der Preisverleihungen.

Und dann musste die Band die Pausetaste drücken, was zugleich aber auch die Option bot, sich neu zu orientieren. Den Erfolg im Blut, setzten die Jungs aus Michigan darauf, „die roheste und wohl natürlichste Version unserer Selbst zu finden“, wie Brian Burkheiser (ebenfalls Gesang) hervorhebt. Und tatsächlich gibt es einige raue Momente auf dem Album, einige Härten. Dann aber wieder wird klar, dass „True Power“ durchaus weiter auf den Erfolg des Vorgängers schielt und die Experimente im Sound eher Leute fernab des Genres für Metalcore begeistern sollen. Einige Songs sind durchgetuned, dass sie auch im Radio gut passen. Nicht umsonst waren I Prevail mit „Trauma“ für zwei Grammys nominiert und versuchen nun mit „True Power“ daran anzuschließen. „Der Mainstream greift im Moment nach dem harten Sound und wir haben die Chance hier für den Rock eine Lanze zu brechen. Das ist doch für alle im Genre von Vorteil.“ Das Album ist also eine Gratwanderung. Brachiale Gitarren und melodiöse Hooks, fette Riffs und eingängige Grooves. „Wir wollten versuchen es beiden Seiten recht zu machen“, so Burkheiser, „Mainstream und Metalcore.“ Das wichtigste, so Vanlerberghe sei, dass man sich „von seiner Angst befreit und loslässt. Man muss was wagen, um an die ‚True Power‘ zu kommen“, die in einem steckt. Bleibt also abzuwarten, wie sehr die Fans diesen Prozess mitgehen können. Nächstes Jahr im Stadion wird es sich dann wohl zeigen.

I Prevail – „True Power“

Ursprünglich erschienen im Piranha 12/2022