Die Vier von der Talentstelle

Wir schreiben das zweite Kapitel einer Erfolgsgeschichte. Drei Jahre nach dem Debüt veröffentlichen Billy Talent ihre zweites Werk.
In seinem neuesten Werk „A Long Way Down“ sinniert Autor Nick Hornby über das Problem unserer Generation. Er kommt zu dem Schluss, dass es uns nicht mehr ausreicht, etwas zu tun, wir wollen unbedingt etwas sein: reich, berühmt, Rock-stars zum Beispiel. Protagonist JJ musiziert sich einen Wolf und stellt irgendwann frustriert fest, dass er es nie zu etwas bringen wird. Den vier kanadischen Jungs der Band Pezz erging es ebenso, zumindest bis sie auf die Idee kamen, sich in Billy Talent umzubenennen und ihren Musikstil zu ändern. Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum, das voller kurzer knackiger Power-Pop-Nummern nur so strotzte, gelang ihnen 2003 der große Durchbruch. Ein überwältigender globaler Erfolg überrannte die Band. „Es war verrückt, wie hatten schon jahrelang zusammen Musik gemacht, und nichts passierte. Dann plötzlich begann alles, sich zu drehen und überall tauchten die Leute zu unseren Shows auf. Wir haben uns den Arsch abgearbeitet, um diese Position zu erreichen“, fasst Sänger Ben Kowalewicz die damaligen Gefühle zusammen.

Billy Talent sind immer noch überrascht von dem großen Zuspruch, den das erste Album beim Publikum fand. Ben klingen immer noch die ersten, eher negativen, Kritiken in den Ohren, die ihm keine angenehme Stimme attestierten. Dabei macht sein von Schmerz geprägter Gesang einen wesentlichen Bestandteil des Billy Talent-Sounds aus. Auf dem zweiten Album, das sie lakonisch „II“ betitelten, hat sich Ben weiterentwickelt. Er vertraut seiner eigenen Stimme und singt mehr: „Ich fühle mich sicherer darin, nicht mehr schreien zu müssen, und mich statt dessen auf die Geschichten konzentrieren zu können. Ich belle die Dinge nicht mehr heraus. Was aber nicht heißt, dass die Aggressivität gewichen ist, sie ist jetzt nur fokussierter“, erklärt Ben die Weiterentwicklung des Sounds. Die Band hat handwerkliche Forschritte gemacht. Ohne am Konzept des dreiminütigen, Punk getriebenen Power-Pops etwas zu ändern, haben sich Billy Talent verbessert. Ben versucht die Entwicklung in Worte zu fassen: „Wir haben einfach den einzelnen Instrumenten mehr Beachtung geschenkt, unsere Stärken erkannt und diese besser herausgearbeitet. Wir haben uns gegenseitig angespornt und dabei ein in sich stimmigeres Album geschaffen.“

Eine der Stärken liegt in Ben’s Texten, die schon auf dem Debüt eine Vielzahl an Geschichten erzählt haben. Auch auf „II“ greift Ben wieder auf fremde Stimmen zurück, auf die Sicht aus den Augen anderer: „Etwas, das ich im Leben gelernt habe, ist, dass ich manchmal mehr davon habe, wenn ich nicht rede, sondern den Menschen zuhöre. Einfach mal meinen Mund halte. Manche Dinge habe ich nicht selbst erlebt, aber die Geschichten, die mir Andere erzählen, geben mir die Inspiration für einen Song, den Dreh, der mir gefehlt hat.“ Letztendlich sind die Geschichten aber immer wert, erzählt zu werden, auch wenn sie nicht unbedingt die fröhlich, lockere Seite des Lebens darstellen. Ben glaubt dennoch, mit seinen Texten positives erreichen zu können: „Der rote Faden des Albums ist Hoffnung. Es gibt `ne Menge dunkler Themen auf dem Album, aber genau darin liegt für mich die Katharsis. Ich kann mir die Sachen von der Seele schreiben. Ich kann sie ansprechen, und damit eine Verbindung zu den Menschen herstellen. Das bringt die Hoffnung.“ Eines von Ben’s Themen ist die Erwartungshaltung an unser Leben. Wie Nick Hornby glaubt auch Ben, dass wir es uns zu leicht machen, wenn wir den Erfolg über Nacht herbeisehnen: „Wir sind die Opfer dieser zwanghaften Illusion von Größe. Niemand will mehr dafür arbeiten. Das ist echt krank.“ Sein Erfolg beweist jedenfalls, dass sich harte Arbeit und Durchhaltevermögen auszeichnen.

Der Artikel ist erschienen im WOM Magazin Ausgabe 07/2006.

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