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Billy Talent

Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum haben sie 2003 die Welt erobert und einmal mehr in der Musikhistorie bewiesen, dass Rock ganz bestimmt nicht tot ist: Ein Song, drei Minuten und viel Power, so war die Formel. Jetzt drei Jahre später treten sie mit dem lakonisch „II“ betitelten Nachfolger an, und wieder lautet das knappe Motto: Let’s rock!
Der Erfolg des Billy Talent Debüts war überwältigend, insbesondere für die Band selbst. Hatten sie doch zuvor schon jahrelang unter anderem Namen mit so etwas wie Progressive Rock versucht, sich zu etablieren. Aber erst als sie das Soundgefrickel sein ließen und sich auf simple punk-inspirierte 3 Minutenkracher konzentrierten kam der Erfolg. Die Power-Pop-Hymnen sind nach wie vor Programm und machen Billy Talent aus, hier sind auf „II“ keine Experimente zu finden: „Wir werden nicht plötzlich zu The Mars Volta mutieren und fünfzehnminütige Tracks aufnehmen. Wir arbeiten am besten in dem drei bis vier Minuten-Format. Wir haben nicht die Struktur der Songs verändert, sondern Verbesserungen in den bekannten Strukturen vorgenommen“, sagt Ben, der Sänger der Band und meint damit die Qualität der Musik. Auf „II“ unterstreichen Billy Talent ihr Können, und das liegt nun mal in kurzen und knackigen Mitsing- und Abgehnummern. Die größte Veränderung lässt sich im Gesang feststellen, denn es wird weniger geschrien, dafür gibt es deutlich mehr Vocal-Parts: „Ich habe gelernt meine Stimme zu akzeptieren. Die ersten Reviews waren da nicht sehr schmeichelhaft, aber ich habe mich an meine Stimme gewöhnt und Vertrauen darin gewonnen. Man kann eine Menge sagen, ohne es den Leuten ins Gesicht zu schreien“, erklärt Ben seine Wandlung zum Sänger.

Doch die Aggression der Musik und insbesondere der Texte ist immer noch deutlich zu spüren, eine Auseinandersetzung mit den Problemen dieser Welt ist dominant. Ben möchte auf die dunklen Seiten des Lebens hinweisen, sieht aber in dem Album die Hoffnung als thematischen roten Faden: „Es gibt dunklen Themen auf dem Album, Dinge wie Kindesmissbrauch in „Devil In A Midnight Mass“ zum Beispiel, und es ist mir wichtig, diese Dinge auszusprechen. Aber genau darum geht es ja, wir müssen darüber reden, diese Dinge thematisieren, damit sie nicht wieder vorkommen. Ich will Gedankengänge anstoßen und Lösungen finden. Das ist dann wieder die Hoffnung, die ich damit verbinde.“ Eine Hoffnung, die man gerne teilt, doch kann ein dreiminütiger Rocksong tatsächlich die Welt verändern? „Nein, das wäre wohl anmaßend. Darum geht es aber auch nicht. Es geht darum, die Welt, wie ich sie sehe, aufzuzeigen. Wenn die Leute dann darauf reagieren ist das toll, wenn nicht, ist das auch ok. Ich habe keine Lösung parat.“ Muss man ja auch nicht, denn Rock war schon immer ein Stein des Anstoßes, aber noch nie die Lösung der Probleme. So sieht es auch Ben, der einfach nur froh ist, auf diese Art und Weise, seine Meinung ausdrücken zu können. Billy Talent präsentieren auf „II“ dreizehn Tracks, die mitreißend, treibend und energiegeladen sind. Songs, die Spaß machen und trotzdem ernst gemeint sind. Songs, die rocken, und das immer unter vier Minuten. Es lebe der Rock.

Der Artikel ist erschienen im Slack Magazin Ausgabe 04/2006.