Rollentausch
Rollentausch
My Chemical Romance sind zurück und haben, vier Jahre nach ihrem Erfolgsalbum „The Black Parade“, die Uniformen des düsteren Spielmannzuges an den Nagel gehängt und gegen das Rocker-Outfit der Fabulous Killjoys getauscht.
Das neue Album „Danger Days“ öffnet mit einer Radioübertragung, irgendwo aus der Wüste Nevadas im Jahre 2019 sendet Dr. Deathdefying seine Piratenshow und berichtet von den Abenteuern der rockenden „Fabulous Killjoys“. Der Sound, der dann folgt ist schnell, energiegeladen und vor allem: ganz und gar nicht düster sondern voller Spaß am Spielen. „Wir waren nach zwei Jahren auf Tour mit ‚The Black Parade‘ einfach völlig am Ende“, erklärt Ray Toro den Stilwechsel als Neuanfang. „Wir konnten nicht mehr so weiter machen wie bisher und mussten uns einfach neu erfinden“. Nach dem düster-bombastischen Konzeptalbum „The Black Parade“, für das Sänger Gerard Way noch in die Rolle des Zeremonienmeisters geschlüpft war, sollte das neue Album für die Band ein Experiment in Sachen Zukunft werden. „Wir haben im Studio fast ein ganzes Album mit sehr straighten Punksongs aufgenommen und gleich wieder in die Tonne getreten“, sagt Toro und lacht, „weil wir nicht das Gefühl hatten, dass das in ein paar Jahren noch relevante Musik gewesen wäre. Deswegen hatten wir die Idee mit diesen Teilkonzept. Wir haben uns gefragt, wie wir wohl in 10 Jahren klingen würden. Das Album ist diese Vorstellung, es verbindet alles das, was uns aus der Vergangenheit an Musik inspiriert hat und macht daraus ein futuristisches Gebilde. So wird Rock in 10 Jahren klingen.“
Toros Vision ist eine Melange aus elektronischen Techno-Beats, aus punkigen Gitarren, HipHop-Bässen, Glamrock-Anleihen und Rockabilly-Attitüde. Auf „Danger Days“ finden sich genauso Songs, die an die Rave-Szene in UK Anfang der 90er erinnern, wie auch an Garry Glitter in den 70er Jahren. Zusammen gehalten wird der eklektische Mix von MCR-typischen Gitarrenriffs, den großen Melodiebögen und Mitsing-Vocals von Gerard Way und eben dem „Teilkonzept“ der Fabulous Killjoys auf ihren Abenteuern.
Die neuen Charaktere und damit die Rollen, die Way, Toro und Co. in Videos und auf der Bühne verkörpern sind eine Gruppe von Sleaze-Rockern, mit abgewetzen, zu engen Jeans, fettigen Haaren in allen Regenbogenfarben und löchrigen T-Shirts, über die selbstbemalte Lederjacken gezogen sind. Mit einem hat Toro da wohl Recht, es ist ein Stilwechsel. Die Abenteuer der „Danger Days“ zelebrieren das, was MCR damals in der Kindheit im Fernsehen in unendlicher Wiederholung gesehen haben: Science Fiction, Action und Thriller in seriellem Format, mit viel Melodrama und vorhersehbarem Plotablauf. Und da bei solchen Serien eigentlich immer das Happy End vorprogrammiert ist, werden die Fabulous Killjoys ihren Weg an die Chartspitze schaffen, sich ein paar Jahre durch unsere Konzerthallen spielen und dann, wie die Black Parade von einer neuen Rolle im Leben von MCR abgelöst werden. „Wir müssen immer vor dem Trend sein und was ganz Neues machen“, sagt Toro, um das Credo der Band auf den Punkt zu bringen. Na dann.
My Chemical Romance – „Danger Days: The True Lives of the Fabulous Killjoys“
Ursprünglich erschienen in Piranha 12/2010.