Nostalgie im Namen
Damals war alles besser. Mixtapes mussten mit viel Liebe und Zeit aufgenommen werden, während Mp3 Playlisten in ein paar Klicks zusammengestellt sind. Irgendwie anti-klimaktisch. Das wusste schon Nick Hornby, das weiß aber auch Malcolm Carson.
Wenn es darum geht, dass man liebesschwanger alles unternimmt, um die Angebetete zu beeindrucken, dann kennt Malcom Carson, Sänger und Kopf der Band Tape the Radio, sich damit aus. Er hat früher Stunden vor dem Radio und seiner Plattensammlung verbracht, um Mixtapes aufzunehmen. Ob es funktioniert hat, verrät er allerdings nicht. Dafür hat er aber diese Art Herzensangelegenheiten („Heartaches“) zu einem von zwei Polen seines Debütalbums gemacht: „Das ist eines der beiden Themen, die einen ständig umgeben und auf universelles Verständnis treffen. Der andere ist der Schmerz. Zwischen Liebe und Schmerz liegt doch alles, was wir tun, oder nicht?“
Die Liebe zur Musik jedenfalls hat sie alle nach London getrieben, geradezu schicksalshaft, bedenkt man, dass Bassist Ben Caruso eigentlich aus San Francisco stammt und Drummer Bryan McLellan gebürtiger Kanadier ist. „London ist einfach die beste Stadt, um Musik zu machen. Und als Ben meine Demos auf MySpace gehört hat, da ist er hierher gezogen. Bryan war eh schon hier gezogen, um bei einigen Bands zu drummen. Den mussten wir also nur noch davon überzeugen, dies auch mit uns zu tun.“ Eines der überzeugenden Argumente war der Bandname, der kam allen dreien unglaublich gut vor, spiegelte er doch die Nostalgie für die 80er Jahre so perfekt wider, hatte aber auch das gewisse Etwas, den Klang. „Ich hatte am Anfang nur den Namen“, erklärt Carson, „aber an dem habe ich festgehalten und als wir zu dritt an unserem Sound gebastelt haben, da wurde klar, dass er perfekt passte.“
Das Debütalbum verrät schnell, warum die 80er Jahre Nostalgie nicht nur im Namen steckt. Sie findet sich in der wavigen Noten der Songs, in den leidenden Tiefs und jauchzenden Hochs von Carsons Gesang, der mal an Robert Smith erinnert, mal an James Dean Bradfield. Nimmt man dazu das aktuelle Interesse des Londoner Musikzirkels am Retrosound, den auch Tape the Radio wunderbar beherrschen, dann hat man mit „Heartache and Fear“ ein perfektes Indiepop-Album, dass in einer Art Best of die Highlights des britischen Independent‘ der letzten 30 Jahre vermischt. Carson jedenfalls ist Stolz, dass man ihn mit seinen Vorbildern vergleicht, ohne dabei die Parallele zu deutlich zu ziehen: „Es ist schon wichtig mit der Band nicht darauf zu zielen, so wie The Cure zu klingen. Aber wenn man die Inspiration, die Liebe für diese Musik deutlich hört, dann wäre es auch albern, darauf zu bestehen, dass das alles nur Zufall ist. Robert Smith ist jemand, den ich sehr verehre, mit ihm verglichen zu werden ist schon ok.“ Dem Sound der Band jedenfalls hat der 80er Jahre Einschlag nicht geschadet, und so kann man „Heartache and Fear“ hören, egal ob man die Editors, die Kooks oder Muse mag, oder doch lieber Joy Division, die Smiths und die Stone Roses.
Tape the Radio – „Heartache and Fear“
Ursprünglich erschienen in Piranha 09/2011 und hier zu lesen auf Piranha.tv