Reite die Welle!
Der Höhepunkt ihrer Karriere war wohl zweifellos die Veröffentlichung von „Connected“ 1992. Mit ihren Hits „Connected“ und „Step It Up“ waren sie damals über Monate in den Charts. In der Zeit nach dem durchschlagenden Erfolg des Albums, haben die Stereo MCs die ganze Welt bereist. Sie waren Opener von U2 auf deren legendärer Zooropa-Tour und spielten ein ganzes Jahr lang auf so vielen Bühnen, dass sie sich kaum noch an Einzelheiten erinnern können. „Das war damals wie beim Surfen. Wir waren mit ‚Connected’ weit raus geschwommen und hatten die Welle voll erwischt. Wir waren gar nicht darauf eingestellt, aber das bedeutete dann eben auch, dass wir nicht mehr aussteigen konnten. Wir mussten die Welle zu Ende reiten, bis zum Strand,“ erklärt Rapper Rob Birch in kalifornischen Bildern die Situation der Band damals. Warum aber nach dieser Mordsbrandung gleich für fast ein Jahrzehnt Ebbe herrschen musste, das erklärt sich dadurch nicht. „Naja, wir waren total erschöpft, wie erschlagen von dem Erfolg und musikalisch ein wenig ausgebrannt,“ berichtet Rob. Nick Hallam, der zweite MC, sieht aber auch eine allgemeine Ebbe in Sachen kreativer Musik als maßgeblich verantwortlich für das lange Schweigen: „Die 90er Jahren waren musikalisch einfach scheiße. Und zumindest im Dance war es damals total langweilig. Ich meine, die ganze TripHop-Schiene war so was von ausgelutscht. Jeder hat auf einmal schleppende Beats produziert und meinte, er müsse daraus einen Song machen. Und der sonst verbreite Technostil war mir zu geradeaus, da fehlte für mich der Reiz.“
Aus diesem Grunde haben sich Rob und Nick dann eher mit DJing und Remixen über Wasser gehalten. Das war für die beiden Musiker aus Brixton die ultimative Möglichkeit, weiter ein Teil der Szene zu bleiben, die Trends zu checken und auf den richtigen Moment zu warten, ohne selber veröffentlichen zu müssen. Rob erklärt: „Die Clubs sind für uns sehr wichtig, dort passiert im Dance doch alles. Und als DJ bist du mittendrin, bleibst am Geschehen.“ Und so haben sie ein Jahrzehnt vom Strand aus, den anderen beim Surfen zugeschaut, immer auf die Killerbrandung wartend. Doch seit dem Millennium sind sie wieder voll da, haben ihren Groove gefunden und sind erneut auf das offene Meer geschwommen. Erstmal zaghaft, mit einem DJ-Mixalbum, doch dann folgte Schlag auf Schlag, 2001 „Deep, Down and Dirty“, dann ein Best Of und 2005 schließlich „Paradise“. Jetzt im Jahre 2008 scheinen sie wieder voll auf einer neue Welle zu reiten, oder etwa nicht? „Ja, so in der Art,“ lacht Rob, „seit ein paar Jahren ist die Musik jedenfalls wieder interessanter geworden. Das hat uns dazu bewegt, wieder zu experimentieren. Es scheint, als sie alles möglich.“
Dieses Potential jedenfalls bietet auch „Double Bubble“, das neue Album der Stereo MCs. Von ruhiger aber eindringlicher Kraft, tanzbar aber nie in Schubladendenken verhaftet, bieten die MCs ein Album, dass ganz wunderbar auf der neuen Welle reiten kann. „Es ist, als sei die Kreativität wiedergekehrt. In der Musikszene bewegt sich was. Die Leute experimentieren. Und man achtet darauf, was die anderen machen. Es gibt einen Austausch. Ich höre in den Clubs ständig neue Musik, oder ich finde Sachen im Internet, von denen ich noch nie gehört habe. Die Vielfalt ist einfach enorm und es gibt keine Regeln mehr, keine festen Strukturen. Alles ist einfach offener.“ Nick ist begeistert von der momentanen Perspektive im Dance, die auch auf „Double Bubble“ transportiert wird. Das Album befindet sich ganz im Jetzt und trägt diese Energie schlummernden Potentials in sich. Ganz so wie die Welle, die darauf wartet geritten zu werden.
Ursprünglich erschienen in Loop 08/2008.