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Das Monster in Dir

Sein fünftes Album sei sein persönlichstes, sagt Andy LaPlegua und spricht von „Making Monsters“ als sei es ganz natürlich aus seinem eigenen Leben geboren, so nebenbei auf Tour und ganz ohne Wehen.

Seit mehr als 7 Jahren arbeitet LaPlegua an seinem kreativen Outlet Combichrist, hat Erfolge gefeiert, aus dem Studioprojekt eine ganze Band erhoben und nun mittlerweile das fünfte Album vorgelegt. Doch erst jetzt, sagt er, habe er die Muße gehabt, diese Entwicklung zu betrachten: „Das Album ist ganz persönlich geworden, denn es reflektiert mein Leben und die Akzeptanz, die ich gebraucht habe, es so anzuerkennen, wie es eben ist.“ Und weil es so persönlich ist, eine Entwicklung und deren Reflektion darstellt, ist es vielseitig geworden, schnellt nicht mehr nur nach vorne, reiht neben die Aggression und die Verzerrung auch melodiösere Momente, dunkle wie auch helle Stimmungen ergänzen sich. Die Monster, die der Titel uns verspricht sind das Persönliche des Albums, wie LaPlegua erklärt: „Die Menschen haben Angst vor dem Leben. Sie fürchten, wenn sie es auskosten, dann würden sie ein Monster erschaffen. Ich möchte sie aber ermutigen, genau das zu tun. Erschafft die Monster, lebt euer Leben, so wie ihr es wollt! Es gibt keinen Gott, der euch beurteilt, es gibt keinen Himmel und keine Hölle. Es gibt nur das Jetzt.“ Das klingt sehr danach als wäre Dorian Gray sein Lieblingsmonster – ein Mensch, der in voller Dekandenz sein Leben auskostet und alle seine Sünden auf sein Bildnis überträgt. Doch LaPlegua lacht nur, denn diese Art künstlerischer Absolution hat er nicht nötig: „Mein Lieblingsmonster ist Godzilla, das ist das ultimative Monster und lebt nur nach seinen eigenen Regeln.“

Doch ist es wirklich so, gibt es nur die eigenen Regeln, keine Konsequenzen? Nicht ganz, wie die Anfeindungen aus dem fundamentalistischen Lager amerikanischer Christlichkeit beweisen: „In den USA, wo ich jetzt lebe, werde ich immer noch stark wegen der Band angegangen, aber das zeigt ja nur, dass ich die Leute aufzurütteln vermag. Die sind sauer, weil ich mich nicht anpassen will.“ Denn darum geht es schließlich auf „Making Monsters“, um den kompromisslosen Weg, sich selbst zu erkennen und nur so zu sein, wie man es will. LaPlegua meint, wir seinen zu leicht beeinflussbar von Regeln: „Die Menschen sehen sich als Monster, weil ihre Wahrnehmung sie zum Anderen macht. Sie wollen das monströse Bild loswerden und distanzieren sich von sich selbst, weil sie den Erwartungen nicht entsprechen. Ihren eigenen und denen anderer. Das ist abgefuckt – seit doch einfach so, wie es euch gefällt!“

Andy LaPlegua jedenfalls hat mit Combichrist und „Making Monsters“ sein monströses Selbst entdeckt, hat es ins Herz geschlossen, lieben gelernt und dabei die Lektion verinnerlicht, die Victor Frankenstein nicht zu lernen bereit war. Du musst deine Schöpfung lieben und ihr helfen zu gedeihen, nur dann wird sie dich nicht auf ewig verfolgen.

Combichrist – „Making Monsters“

Ursprünglich erschienen im Piranha 09/2010.