Diktatoren unter sich
Eigentlich wäre es ein ideales Thema für eine soziologische Studie: was passiert, wenn fünf gestandene und jeder für sich genommen berühmte Musiker sich dem demokratischen Prinzip einer Band unterordnen müssen.
Das letzte Mal, dass Michael Kiske und Kai Hansen zusammen ein Album aufgenommen hatten, ist nun schon fast 25 Jahre her. Damals verhalf die geballte Kraft der beiden Musiker der deutschen Band Helloween zu ihren größten Erfolgen – entsprechend hoch sind in Metal-Kreisen, die Erwartungen an das neue Projekt Unisonic. Doch Hansen winkt ab und meint: „Wer jetzt ein Keeper of Seven Keys Part 3 erwartet, der wird vermutlich recht herbe enttäuscht sein. Unisonic hat einen deutlich rockigeren Sound.“ Dass Unisonic keinen klaren Metal-Einschlag vorweisen kann dürfte dem Einfluss von Kiske zu verdanken sein, der schon seit langem eine Abneigung gegen speziell diesen Stil hat: „Für mich mussten die Songs einfach rocken, ich kann diese kreischenden Gitarren nicht leiden. Und alles was mit den Klischees der Szene zu tun hat, versuche ich zu meiden,“ sagt Kiske. Dabei hat das neue Songmaterial sehr wohl auch metallische Einflüsse, wie man an der ersten Single nur unschwer erkennen kann. Da brettern die Riffs, da frickelt das Solo und Kiske muss sich an Powermetal-Hymnen versuchen. Darauf angesprochen lacht er nur und meint: „Das passiert halt wenn man mit dem Hansen eine Platte aufnimmt. So ganz kann er eben nicht ohne. Aber es hält sich im Rahmen und ist durch andere Musikstile aufgewogen.“ So finden sich eben auch klassische Rocksongs, teilweise Balladen oder, wie Hansen etwas schnippisch zurück gibt „fast schon Pop“ auf der Scheibe.
Diese Variabilität hat Unisonic wohl der Zusammensetzung als typische Rock-Supergroup zu verdanken, denn neben Hansen (Helloween, Gamma Ray) und Kiske (Helloween) zählen noch Mandy Meier (Gotthard), Dennis Ward und Kosta Zafiriou (beide Pink Cream 69) zur Band. So entsteht ein kreatives Gemisch, dass sich auf dem Debütalbum erstmal konstituieren musste, wie Hansen erklärt: „Die Scheibe zeigt ein Zusammentreffen. Wir müssen uns kennen lernen und sehen wohin wir in Zukunft gehen wollen.“ Kiske meint, die Band musste sich erst mal beschnuppern und ein Zusammenspiel erlernen. Dabei ist gerade für ihn, der seit Helloween eigentlich hauptsächlich Projekte unter der eigenen Führung verfolgt hatte, die Umstellung deutlich spürbar gewesen: „Wir brauchen jetzt einen Konsens, zu Fünft. Und wenn die anderen deinen Take Scheiße finden, dann sagen sie das auch. Nur mit Demokratie hat das eben nichts zu tun. Das ist eher als würden fünf Diktatoren auf einer Insel um die Vorherrschaft kämpfen.“ Entsprechend schwer sind manche Entscheidungen, umso härter die Kritik der anderen Beteiligten. Aber: wenn die Songs erstmal das Feuer der Kritik innerhalb der Band überstanden haben, dann sind sie so gestählt, dass sie den Platz auf der Platte und in den Live-Playlisten verdient haben. Und dann ist es egal, welcher der Fünf den Song geschrieben hat: „Manchmal wissen wir gar nicht mehr, wer was dazu beigetragen hat“, sagt Hansen, „aber das ist doch auch egal. Hauptsache die Songs rocken und wir haben Spaß dabei“.
Ursprünglich erschienen im Piranha 04/2012 und auf Piranha.tv