Den Punk im Blut

Nach fast 20 Jahren veröffentlichen die Donots bereits ihr neuntes Studioalbum und gehören damit zu den bekanntesten Punkrock-Bands Deutschlands. Als sie anfingen Musik zu machen, hätten sich Ingo Knollmann und Alex Siedenbiedel das wohl nicht träumen lassen.

 „You’re So Yesterday“ heißt einer der Songs auf dem neuen Album „Wake The Dogs“ der Donots und man könnte meinen, dass in diesem Titel ein ironischer Kommentar auf ihre eigene Karriere liegt. Schließlich ist der Durchbruch der Band aus Ibbenbüren der Frage „Whatever Happened To The 80s“ zu verdanken. Und auch das 80er-Jahre Cover von Twisted Sisters „We’re Not Gonna Take It“ dürfte dazu beigetragen haben, dass die fünf Punkrocker einen solchen Erfolg zu verbuchen haben. Mit „Wake The Dogs“ gehen die Donots den Weg nun weiter, und im Gegensatz zur Aussage besagten Stücks ist das Gestern-Sein für die Band keineswegs etwas Schlechtes. Im Gegenteil, denn schon der Opener des neuen Albums erinnert an die große Zeit des Punk Ende der 1970er Jahre, als The Clash, The Damned und die Sex Pistols die Straßen Englands in Aufruhr hielten. „Alter, das ist das größte Kompliment, das du uns machen kannst“, freut sich Gitarrist Alex Siedenbiedel ein Loch in den Bauch als wir über die musikalischen Einflüsse des Albums reden, „von The Clash hängen noch heute drei Poster an meiner Wand. Mit diesen Bands haben wir damals angefangen – in der Scheune auf der Bühne gestanden und Coversongs gespielt.“ Und auch Sänger Ingo Knollmann ist schnell in Reminiszenz verfallen als es um den UK-Punksound geht: „Das bringt mich zurück ins Jahr 1993. Wir waren komplett unfähig unsere Instrumente zu spielen. Wir haben Punkrock geschrammelt und egal wie schlecht wir auch gespielt haben, Hauptsache es ging ab.“

Der Sound von „Wake The Dogs“ jedenfalls ist spürbar von diesen musikalischen Wurzeln beeinflusst und man findet aus eigentlich jeder Punkrock-Stilrichtung Elemente, die die Donots zu einer wundervollen Weltreise durch die Leichtigkeit des Drei-Akkorde-Sounds verbinden. Egal ob es nun die Stippvisite in London bei den besagten Clash, der energiegeladenen Clubbesuch bei den New Yorker Ramones oder der Surftrip in Kalifornien ist, die Donots fühlen sich überall zu Hause, vergessen dabei aber keineswegs ihre Heimat in Westfalen. Und vom Dilettantismus der frühen Jahre ist natürlich auch nichts mehr zu spüren, dafür haben Sie in fast 20 Jahren einfach viel zu viel gelernt. „Klar, wir mussten besser werden und können, glaube ich, auch ganz gut zusammenspielen“, sagt Ingo und meint, dass man das aber auch nicht übertreiben sollte: „Das darf auf der Platte nicht total geleckt klingen. Wir wollen auf keinen Fall wie die Amibands der letzten Jahre zu glatt, zu perfekt und radioformatiert klingen. Da läuft es mir immer kalt den Rücken runter, wenn ich das höre.“

Dabei hat die Platte aber nicht nur den rauen, reduzierten Charme der Punkrock-Ikonen, sondern ergeht sich andererseits auch in einem breiteren Stadionsound. In einigen Momenten wird da ein voller, orchestral begleiteter Sound deutlich, der schon eher an neuere Rockproduktionen erinnert als an den Ursprung des Punk. Alex erklärt das mit der Dualität der Band, die beim Songschreiben zu einer Aufteilung der Songs geführt hat: „Wir haben Songs geschrieben, wie sie uns gefallen. Egal in welchem Stil des ist. Dabei ist uns aufgefallen, dass die in unterschiedliche Kategorien gehören. Die einen sind im Stil eher minimal, 70er Jahre Punk und erdig. Die anderen hingegen waren wie fürs Breitbandkino gemacht, voller Sound, mit Streichorchestern und geradezu als Mitsinghymnen geeignet.“ „Ja, das reflektiert einfach die diversen Spielarten, die wir ausprobieren wollten“, greift Ingo ein, „das ist auch textlich da drin. Ich habe diesmal einfach über alles geschrieben, was mich länger als 5 Minuten beschäftigt hat. Das ist schon etwas anderes als damals, als alles einfach nur Spaß machen sollte. Oh Gott, heißt das etwa, dass wir erwachsen geworden sind?“ Und schon brechen die Beiden in schallendes Gelächter aus. „Nein, mal im Ernst. Wir haben uns früher schon politisch engagiert, aber es musste halt immer auch Spaß machen. Und wir springen unserem Publikum eben nicht so gerne mit dem blanken Arsch ins Gesicht, um irgendeine politische Botschaft rüberzubringen“, sagt Ingo und meint, das sei nicht ihr Stil. „Wenn du so willst, dann ist die Botschaft immer schon ’sei selbstverantwortlich‘, ’sei dir treu‘ und ‚mach dir deinen eigenen Kopf‘ gewesen“, sagt Alex und bezieht das auch auf die Band selbst. „Das haben wir immer schon gemacht“, kommentiert Ingo das Credo, „und machen wir auch heute noch. Dabei ist Do-It-Yourself für Bands heute ja schon so was wie salonschick geworden. Für uns gehört das dazu, wir fühlen uns wohl mit dem eigenen Label und damit, selber bestimmen zu können.“

Doch dem eigenen Stil treu zu bleiben, war nicht immer leicht für die Donots. Gerade in den frühen Jahr, meint Ingo, da hätten sie schon ein paar Fehler gemacht: „Wir haben uns damals bei der BMG einfach nicht wohl gefühlt und wollten da raus. Mit dem eigenen Label, das wir dann gegründet haben, mussten wir eben bei Null wieder angefangen“. Auch Alex sieht bei der Band einschneidende Entwicklungen in den letzten Jahren: „Für uns gibt es da ganz wesentliche Momente der Veränderung: die BMG-Zeit ist ein Teil unserer Geschichte, den wir auch nicht ignorieren wollen. Aber das hatte sich irgendwann totgelaufen und wir waren durch. Damals hatten wir noch keine Ahnung, wie so etwas geht: Musikbranche, Label, Vertrieb. Aber jetzt hat sich das verändert und es ist ok wieder bei Universal angedockt zu haben. Der richtig einschneidende Moment kam aber 2008 dank Kurt von Blackmail. Wir hatten eine absolute Initialzündung im 16. Bandjahr. Kurt kam nach einem Gig zu uns und meinte: ‚Leute, ihr seid eine großartige Liveband, aber warum klingen eure Alben eigentlich so scheiße?‘ Das hat uns zu denken gegeben und wir haben mit ihm die Donots 2.0 aus der Taufe gehoben und ‚Coma Chameleon‘ aufgenommen“.

Nach dieser Zeitrechnung sind die Donots gerade beim verflixten dritten Album angekommen, das traditionell das Album ist, mit dem man den Weg für alles kommende vorgibt. „Oh verdammt“, meint Ingo, „das dritte Album. Dann hätten wir uns vielleicht besser was überlegt, oder?“ Daraufhin lacht Alex nur laut: „Ich finde, das ist unsere beste Platte geworden. Sagt zwar jede Band und das ging mir bei früheren Platten auch nicht anders, aber diesmal fühlt sich echt gut an. Normalerweise ist man nach einiger Zeit schon kritisch mit seinen Alben, aber die hier, die höre ich auch in einigen Jahren noch. Da bin ich mir sicher.“ Und vielleicht ist es ja doch die Vergangenheit, die daran Schuld hat. Denn schließlich hören wir „London Calling“ ja auch immer noch und finden es gut. Manchmal ist es gar nicht schlecht, wenn man ein wenig Gestern im Heute finden kann.

Ursprünglich erschienen als Titel-Story im Piranha 05/2012 und auf Piranha.tv