Ludere et Studere

Das Wachstum der Computerspiel-Branche bringt in der Gesellschaft größere Entwicklungen mit sich, auch und gerade an deutschen Hochschulen, die den Trend zum Spiel erkannt haben. So wurden in den letzten Jahren neue Studiengänge aus dem Boden gestampft, mit denen der dringenden Bedarf an Game Designer, Developern, Producern und Programmierern gedeckt werden soll. Höchste Zeit also für eine Bestandsaufnahme. 

Als Steve Russell und Alan Kotok in den 1960er Jahren die brillante Idee hatten, ihre am berühmten Massachussetts Institute of Technology (MIT) erworbenen Fähigkeiten einzusetzen, um mit Spacewar! eines der ersten Computerspiele der Welt zu programmieren, da hieß ihr Studiengang noch „Ingenieurswissenschaften für Elektronik“ und niemand vor Ort wusste um das Potential der studentischen Spielereien. Seit dem hat sich viel getan, sowohl in Bezug auf Computerspiele, als auch in Bezug auf mögliche Studiengänge, die jungen Menschen heutzutage den Weg in die Branche ebnen sollen.

Dabei stehen Interessierten aktuell eigentlich in jeder größeren Stadt Studiengänge unterschiedlichster Ausrichtungen zur Wahl, die sich darauf spezialisieren Nachwuchs für den deutschen Developer-Markt auszubilden. Das Angebot reicht dabei von privaten Akademien, über technische Hochschulen bis hin zu klassichen Universitäten, wobei die Studiengänge von „Game Design“, „Game Development“, „Game Art“ über „Mediendesign“ oder „Digital Design“ bis hin zur klassischen „Kommunikationswissenschaft“ reichen und mindestens ebenso viele Spezialisierungen zulassen.

So beschreibt beispielsweise Annika Knipp, Marketingleiterin und Bildungsberaterin des privaten Anbieters Games Academy, der zwei Standorte in Berlin und Rhein-Main betreibt, das Ausbildungprofil so: „Die Games Academy bildet zwei grundlegende Profile aus: zum einen den System-Designer im Bereich Spielmechaniken, Spielsysteme, Game Analyse, oder auch Interaction Design, und zum anderen den Content Designer, der sich sich im Level Design, Quest Design oder Scripting findet.“ Ein Vorteil der Akademie sind die kurzen Ausbildungswege mit nur zwei Semestern zum reinen Game Designer, obwohl auch hier in Zusammenarbeit mit Partnern länger dauernde Bachelor-Abschlüsse im Bereich Game Development angeboten werden.

Einen ähnlichen Fokus bietet die Ausbildung der Mediadesign Hochschule, die mit Berlin, Düsseldorf und München drei Standorte zu bieten hat und ebenfalls den kreativen Aspekt der Herstellung von Spielen in den Vordergrund stellt. Die späteren Designer und Developer werden aber, so Studiendekan Prof. Dr. Axel Hoppe, nicht nur auf den Gamesmarkt ausgerichtet: „Unsere Studierenden gehen mit ihrem Wissen nicht nur in die Games-Branche, sondern auch in andere Bereiche wie New Media, Multimedia-Agenturen, Visualisierungen, Motion Design oder ins Publishing.“ Eine profunde, praxisorientierte Ausbildung ist hier zentral, wie Hoppe meint: „Der Schwerpunkt des Studiums ist es zu lernen, wie man eine Vision für ein Spiel entwickelt, strukturiert und so dokumentiert, dass sie umgesetzt werden kann. Dabei steht die theoretische und interdisziplinär orientierte Auseinandersetzung mit Games als Grundintention hinter dem Studiengang.“

Kooperation mit der Branche

Auch in Hamburg an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) setzt man auf ein praxisbegleitendes Studium, bei dem „die Studierenden in Teams über ein drei Semester dauerndes Projekt zu Praxisbedingungen einen Prototypen für ein Spiel entwickeln“, wie Studiengangsleiter Prof. Dr. Gunter Rehfeld sagt. Der Einbezug der Branche wird hier, wie in den meisten Studiengängen zum Thema, vor allem in der Lehre umgesetzt. So finden neben Gastdozenten aus der Industrie, die an der HAW vor allem die anwendungsbezogenen Fächer unterrichten, auch immer wieder andere Formen der Kooperation statt. Rehfeld dazu: „Es werden viele Workshops mit Gamedesignern, Balancern, Producern etc. aus den in Hamburg ansässigen Firmen wie Goodgame Studios, Innogames oder Bigpoint angeboten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit für die Studierenden, Praktika in der Industrie zu absolvieren oder als Werkstudenten dort zu arbeiten, soweit es die Zeit zulässt.“

Die Nähe zur Branche und der sich daraus ergebenden Einbezug praktischer Erfahrungen werden von Studierenden wie Sebastian Borufka auch an ihrem Studium an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) geschätzt. Borufka befindet sich zur Zeit im 6. Semester, dem „Pflichtpraktikum“, bei dem er Erfahrungen in der Branche direkt sammeln muss: „Das Studium hier bedeutet, seine eigenen kreativen Fähigkeiten einzuschätzen, zu erweitern und zu spezialisieren. Es bedeutet Einblick in die Technologie und Kontakt zur Branche. Die unterschiedlichen Schwerpunkte im Studiengang bedienen dabei sowohl den konzeptionellen Teil als auch die eigentliche Umsetzung und Produktion im Entwicklungsprozess eines Spiels. Game Design kann eben vieles sein und genau das wird vermittelt.“ Auch seine Kommilitonin Jennifer Kamm, die im 2. Semester studiert, schätzt die Vielfalt des Studiums und den direkten Austausch mit den Profis: „Die Kurse sind anstrengend bieten aber viel Platz für individuelle Entfaltung und private Tipps von den Dozenten. Sie nehmen sich für jeden Einzelen Zeit und helfen individuell.“

Abschluss und dann?

Wie es aber für Kamm und Borufka nach dem Abschluss weitergeht, dass kann an der HTW in Berlin zur Zeit noch niemand sagen, da der erste Jahrgang noch studiert. An der Hamburger HAW hingegen ist man stolz, dass bisher alle Absolventen einen guten Branchenjob gefunden haben. Rehfeld sagt sogar, dass man einen Fachkräftemangel bemerke: „Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften ist in Hamburg im Moment so hoch, dass wir ihn mit den Absolventen des MA Studiengangs nicht decken können.“ Und auch Hoppe von der Mediadesign Hochschule wirkt entspannt, wenn es um die Chancen seiner Studierenden geht: „Die Berufsaussichten mit dem Profil eines Gamedesigners sind exzellent.  Neben zahlreichen Ausgründungen finden sehr viele Absolventen sofort Anschluss in der Branche.“

In der Branche selbst ist die Stimmung gegenüber den neuen Studiengängen ebenfalls positiv und freundlich, wenn man hier auch etwas verhaltener ist, wie Vera Schott PR Managerin beim Hamburger Publisher Crimson Cow bemerkt: „In Bezug auf Spiele-Entwicklungen schätzen wir die jungen Teams als kreative Köpfe mit vielen innovativen Ideen. Sie überzeugen gleichzeitig mit einer konzentrierten und organisierten Herangehensweise an die Projekte und bieten eine erfreuliche Frische. Direkt aus dem Studium kommend, fehlt es vielen Absolventen aber oftmals an ausgeprägter Praxiserfahrung, die für solche Stellungen wichtig ist.“ Das Problem dabei seien nicht so sehr die fehlenden Praktika oder Mängel in der technischen Umsetzung als vielmehr spezifische Erfahrungen mit dem Game als marktwirtschaftlichem Objekt: „Zum einen bieten viele Studiengänge zu wenige Einheiten über die Vorgänge im Markt, so dass Studenten teils nicht einmal auf die Präsentation ihrer Ideen bei Publishern vorbereitet werden. Auf der anderen Seite sind viele Player der Gamesbranche aber auch nicht mutig genug, sich neuen Spielkonzepten anzunehmen.“ Der Konflikt von kreativer Innovation im Studium und marktwirtschaftlichem Verkaufsdenken im Job lässt auch Branchenriesen wie Sony und Microsoft die Studiengänge kühler bewerten. Hier sieht man keine direkte Qualifikation für betriebliche Tätigkeitsfelder, sondern verweist hier auf die rein wirtschaftliche Ausrichtung der zu vergebenden Positionen. BWL, Marketing und kaufmännischen Ausbildung zählen im Vertrieb eben mehr als innovative Spielideen – dieser Einschränkung sollte man sich bewusst sein, wenn man ein Studium anstrebt.

Die von den deutschen Hochschulen angebotenen Studiengänge, vornehmlich im Studienfach „Game Design“ und ähnlich praxisorientierten kreativen Bereichen, bilden eine neue Generation junger, innovativer Köpfe aus, die in Zukunft den Branchenstandort Deutschland vornehmlich in der Produktentwicklung voranbringen werden. Die Aussichten für kleine Studios, für Entwickler und innovative Publisher ist dank der Vielzahl der Studiengänge und deren pragmatischer und vielseitiger Ausbildung hervorragend. Auf eine erfolgreiche Zukunft.

Ursprünglich erschienen im IGM 06/2012.