Game Tipp: Star Wars – The Old Republic (PC)
Der Konflikt schwelt in der MMO-Community schon lange: wie genau sieht eigentlich das ideale Online-Rollenspiel aus? Die Positionen sind dabei eigentlich klar: die helle Seite der Macht wünscht realistische Einflussnahme auf die Welt, interaktive Dialoge, intuitive Charakterentwicklung und freie Storylines in einer epischen, perfekt entwickelten Welt. Die dunkle Seite der Macht hingegen steht für das klassische Hack&Slay, für mächtige Gegenstände und eine perfide Sammelleidenschaft nach dem immer noch besseren Item, für massive Schlachten und die Lust daran, virtuelle Existenzen zu zerstören, für taktische Jagd durch Instanzen und das ‚Farmen‘ nach noch mehr Reichtum und Macht.
Bei einem Franchise, das wie Star Wars auf einer detaillierten und bekannten Welt basiert, die schon unzählige mediale Varianten hervorgebracht hat und gerade für das ausschweifende Erzählen, für übergroße Charaktere und intergalaktische Handlungsbögen bekannt ist, steigen die Erwartungen der Fans entsprechend ins Unermessliche. Hinzu kommt, dass diesmal mit BioWare ein Entwickler für das Star Wars-MMORPG gewählt worden ist, der in Sachen Rollenspiele als Innovator und Experte fürs Geschichtenerzählen gilt. Die Kombination schien also der hellen Seite überdeutlich gewogen zu sein, doch das Ergebnis ist, wie eben alles im Leben, nicht ganz so klar ausgefallen.
Der hellen Seite entsprechend bietet The Old Republic eine Story, die den Spieler mitten in den großen Krieg der Jedi mit den Sith transportiert und eben jede Gelegenheit bietet, selber der Held eines intergalaktischen Abenteuers zu werden. Die Wahl einer Seite, sowie einer von vier Charakterklassen bestimmt dann den weiteren Verlauf der Geschichte. Oder besser: der Geschichten, denn jede Klasse hat einen ganz eigenen und auf sie abgestimmten Handlungsbogen, der in typischer Star Wars-Manier in ganz großem Kino-Stil inszeniert wird. Hier liegt eindeutig die Stärke des Spiels und es macht einen Riesenspaß, zu sehen, wie man immer tiefer in die wichtigen Momente des Konfliktes hineingezogen wird. Sehr schön ist dabei auch, dass BioWare auf sein berühmtes Dialogsystem zurückgreift und Entscheidungen für die helle oder die dunkle Seite Einfluss auf die weiteren Optionen und die Reaktionen anderer Charaktere haben.
Doch leider ist dies nicht ganz richtig, denn ein Fraktionswechsel ist beispielsweise nicht möglich – auch wenn man sich als Jedi noch so sehr daneben benimmt, man wird nicht plötzlich zum Sith. Die Wahl einer Seite entscheidet eher die zur Verfügung stehenden Spieloptionen außerhalb der Hauptstory und die Optionen für Items und Aussehen. Und auch sonst muss man gestehen, dass abgesehen von der extrem story-lastigen Haupthandlung für den Singleplayer vieles beim MMO-typischen Alten geblieben ist. Die dunkle Seite unseres MMO-Konfliktes gibt nicht kampflos auf: der Multiplayermodus ist genauso stumpf und träge wie bei WoW und Co., die Nebenquesten basieren auf den immer gleichen Systemen von Sammel- und Kampfaufgaben und die tatsächliche Einflussnahme auf die Welt ist gleich Null. Da bisher auch noch kein wirklich innovativer Endgame-Content abseits der ständigen Wiederholung bekannter Instanzen und der Suche nach neuen, besseren Items bereit steht, ist nun also die eigentlich entscheidende Frage, wie BioWare die kontinuierliche Entwicklung von immer neuen story-getriebenen Inhalten für Abo-Spieler hinbekommen wird. Denn von einer beständigen Versorgung mit guten Geschichten wird die Beliebtheit des Spieles bei den Vertretern der hellen Seite wohl auf Dauer abhängen.
Ursprünglich erschienen in Kreuzer 02/2012.