Philosophie in Noten
Wenn Joey Burns, Sänger und Songwriter der Band Calexico über sein neues Album spricht, dann kommt er ein wenig ins Philosophieren. Das neue Werk „Carried to Dust“ ist wieder näher den multikulturellen Ursprüngen der Band. Und es hat eine Botschaft, aber die festzulegen fällt Joey sichtlich schwer: „Naja, dafür ist das Album zu offen. Ich kann so etwas nicht definieren. Da sind so viele Farbwechsel, so viel Varianz. Das ganze Album ist Veränderung. Wie ein kleiner Film.“ Gutes Stichwort, denn für einen Soundtrack eignet sich das Werk ideal. Nur wovon handelt der Film? Ein Roadmovie, eine Reise ins Ich? Joey stimmt zu, beides sei im Album angelegt. Der Schritt hinaus erweitert das Selbst. „Musik ist ein tolles Vehikel für deine Fantasie, du kannst deiner Einbildungskraft mit Musik Räder verpassen, oder Flügel, oder Füße – je nachdem, was du gerade brauchst.“ Und so reisen Calexico einmal um die ganze Welt. Zwischen Rock und Folk, Worldmusic und Alternative vibriert dieses Album in einem präzisen Soundgewand so unverstellt und klar wie der nächtliche Himmel in der Wüste Nevadas.
Und Reisen sind es auch, die „Carried to Dust“ inspiriert haben. Joey ist froh über die Möglichkeit die Welt zu sehen, die Erfahrungen in sich aufzunehmen. Er sieht in jeder Live-Performance eine Gelegenheit seine Botschaften umzuschreiben: „Diese Songs sind wie Romane, geschrieben Versionen einer Idee, die Buchversion. Aber wenn ich mich auf Tour begebe, dann werden sie zur zeitlichen Vorstellung. Sie nehmen den Charakter des Ortes an, an dem ich bin, manchmal tatsächlich von Tag zu Tag. Ob man im Studio steht und leise Songs aufnimmt oder vor zigtausend Leuten beim Festival spielt, das verändert die Songs. Sie werden größer, lauter und bewegter. Aus dem Roman wird der Film. Aber auch der kann sich ändern.“ Jeder, der „Carried to Dust“ hört, so Joeys Essenz, bringt ebenso etwas mit an das Album, wie er, der es spielt. Diesen Kreislauf des Interpretierens und des Feedbacks, darum geht es ihm. Sinnerschaffung. Und das immer wieder neu, bei jedem hören, bei jeder Performance.
Ursprünglich erschienen im Piranha 09/2008.