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Mittler zwischen den Welten

Vielen wird Alexander Veljanov als Sänger der Band Deine Lakaien ein Begriff sein, doch der Mann mit der äußerst beeindruckenden dunklen Samtstimme ist noch weitaus mehr als nur das markant-charmante Aushängeschild des Grufti-Pops.

Der gebürtige Mazedonier ist ein musikalischer Botschafter, den es vor einigen Jahren zurück zu seinen Wurzeln zog. Dort traf er auf ein verändertes Mazedonien, auf eine ganz anderes Europa als in seiner Wahlheimat Berlin: „Wir haben ein Europa der ersten, zweiten und dritten Klasse und Mazedonien liegt irgendwo zwischen zweiter und dritter Klasse. Dieses kleine Land bemüht sich redlich, ein Teil der Europäischen Union zu werden, aber es gelingt nicht immer. Und manchmal wollen die anderen nicht, das es gelingt“, erklärt Veljanov seine Perspektive auf die politische Lage im Land und die gegenwärtigen Konflikte mit Griechenland, die einen Beitritt in die EU erschweren.

Sein neues Soloalbum „Porta Macedonia“ ist eine Reise durch dieses neue Europa, es schwelgt musikalisch im kosmopolitischen Flair, rezitiert die dabei Vergangenes wie etwa die Bühnentradition eines Kurt Weill, aber auch Traditionelles wie etwa slawische Volksweisen, setzt sich dabei aber gekonnt über jedes Klischee von Volksmusik hinweg: „Ich fühle mich als Europäer“, formuliert Veljanov seine Einflüsse, „und nehme musikalisch alles in mich auf. In Deutschland ist die Volksmusik verpönt, hier hat das so etwas Steifes an sich. Aber in Mazedonien ist sie Teil einer Identität und Tradition. Sie gehört zum Leben dazu. Das fand ich ganz wichtig auch für meine musikalische Entwicklung dort.“

Veljanov empfindet „Porta Macedonia“ als ein langsam und stetig heran gereiftes Werk, was über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren entstanden ist. Er hat es zusammen mit dem mazedonischen Musiker Goran Traijkovski aufgenommen, dem es auch zu verdanken ist, dass Veljanov die Poesie der deutschen Sprache für sich entdeckt hat: „Goran war sehr interessiert an meinen deutschen Einflüssen und hat mich ermutigt, auch auf Deutsch zu schreiben. Und da ich vor einiger Zeit für eine Edgar Allan Poe-Vertonung bereits erste positive Erfahrung damit gemacht hatte, habe ich für das neue Album teilweise deutsche Texte gewählt.“ So hat die Arbeit in Mazedonien Alexander Veljanov seiner deutschen Heimat näher gebracht. Sie hat die Distanz zum eigenen Kulturkreis hier in Deutschland verringert: „Ich habe das Gefühl das Album ist ein Mittler zwischen den Kulturen. Die Menschen dort und ihre Ruhe und Gelassenheit haben mich angesteckt. Ihre Verbundenheit zur Kultur und zur Musik ist etwas Wunderbares. Aber die reale Situation als Musiker ist einzig im idealistischen Sinne möglich. Einen Lebensunterhalt verdient man in Mazedonien damit nicht. Das hat mir wiederum Deutschland näher gebracht. Ich weiß um meine privilegierte Situation hier und versuche nun noch bewusster mein Leben als Musiker zu gestalten.“Und diese Erkenntnis transportiert Veljanov eindrucksvoll auf seinem vielseitigsten und persönlichstem Album bislang – und bestätigt damit seine Ausnahmerolle in der deutschen Poplandschaft.

Ursprünglich erschienen im Piranha 11/2008.