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Revolution im Stillen

Sie sind eine der erfolgreichsten Rockbands der heutigen Zeit und haben mit dem 2002 gegründeten „Projekt Revolution“ eines der interessantesten neuen Musikfestivals ins Leben gerufen. In diesem Jahr kam das Projekt erstmals nach Europa, und Linkin Park haben die einmalige Show auf DVD gebannt.

In ihrem letzten Video „Shadow of the Day“ geht Sänger Chester Bennington durch einen Straßenkampf zwischen jungen, wütenden Menschen und einer in schwarz gekleideten Ordnungsmacht. Der Konflikt eskaliert und die revolutionäre Stimmung bricht sich in Form von Molotow-Cocktails und Backsteinen an den Schilden und Knüppeln der Polizei. Die Bildsprache des Videos ist eindeutig, die revolutionäre Geste dagegen im Text nicht klar erkennbar. „Ja, das ist zweideutig. Es gibt immer bestimme Songs, zu denen die Menschen eine Beziehung haben – die sozialen oder politischen Aspekte dessen, was bei Ihnen zu Hause passiert. Und das ist auch durchaus beabsichtigt: Auf „Minutes to Midnight“ wollten wir einige dieser Dinge ansprechen – so, dass jeder etwas damit anfangen kann, wie auch immer das im Ergebnis aussehen mag. Wenn du einen unserer Songs hörst, ist die Bedeutung, die du daraus ziehst, vermutlich eine andere als die, die ich daraus ziehe. Ich glaube, dass keine davon richtig und keine davon falsch ist. Egal, worauf du den Song beziehen willst – genau davon handelt er auch.“ Mike Shinoda, Rapper und musikalisches Multitalent, will sich und die Band nicht auf eine bestimmte Botschaft festnageln lassen. Das ist aber nicht immer leicht, schließlich haben Linkin Park niemals nur kuschelige Popmusik produziert und mit ihren musikalischen „Projekt Revolution“ viel bewegt.

Mit dem 2002 ins Leben gerufenen „Projekt Revolution“ haben sie ihren Fans mehr als nur eine deutliche Botschaft geschickt. Sie haben in der Krise der Musikbranche einen Ausweg aus dem Copyright-Problem gesucht und das Live-Konzert als Knotenpunkt und zentrale Verbindung zu ihren Fans entdeckt. Sie haben 2004 die Tour um eine weitere Bühne für unbekanntere Künstler erweitert und 2007 das Projekt „vergrünt“ in dem sie Biodiesel verwendeten und $1 pro Ticket dem Umweltschutz zuführten. Als sie dann 2008 zum ersten Mal das „Projekt Revolution“ nach Europa brachten, lag es nahe, diesen Botschaften eine weitere in handfester CD-Form folgen zu lassen. Die Ehre der Taufe überließ man aber anderen: „Der Name ‚The Road to Revolution‘ stammt von den Fans, die darüber im Internet abgestimmt haben und ich finde er verkörpert ganz großartig das Wesen der Tour. Für mich ist er definitiv bezeichnend für das Energie-Level und die Begeisterung, die die Menschen verspüren, wenn sie Dinge verändern können“, erklärt Mike und spricht dann doch von einer politischen Botschaft. Sie mag vielleicht persönlicher sein und weniger plakativ, aber Mikes Blogs auf der eigenen Homepage machen klar, dass es verdammt schwer ist, keine politischen Aussagen zu treffen.

Mit „Road to Revolution“ kommt wieder so eine Botschaft ins Spiel, denn das CD / DVD-Set wird nicht nur optisch dank genialer Live-Photos so einiges hermachen. Zum einen muss man ganz klar die ungewöhnliche Verpackung erwähnen, die ökologisch voll wieder verwertbar sein wird. Zum anderen haben sich Linkin Park aber auch inhaltlich eine Show ausgesucht, die als besonders gelten kann. Denn mit „Road to Revolution“ schlagen sie eine interkontinentale Brücke, wählten als Ort der Aufzeichnung das britische Milton Keynes. Im mit 50.000 Menschen bis an den Rand voll gepackten National Bowl spielten Linkin Park eine fulminante Show. „Es war als würden wir eins mit dem Publikum. Wir sind förmlich verschmolzen. Es war eine grandiose Erfahrung“, erklärt Chester und verdeutlicht damit die Verbindung, die die Band mit ihren Fans auch in Europa zu erreichen vermag.

Ursprünglich erschienen im Piranha 12/2008.