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Scheiß auf die Charts!

Wie der 23-jährige Alex Day aus seinem Wohnzimmer heraus eine Kriegserklärung an die Musikbranche verkündete.

Wenn man so will, dann ist Alex Day so gefährlich für die Musikindustrie wie Johnny Rotten es vor 35 Jahren war. Die Sex Pistols waren jung, rebellisch und sie verweigerten sich konsequent jeglicher Konventionen der Branche. Und sie waren so erfolgreich wie kaum eine andere Band ihrer Zeit. Wenn also Alex Day in einem an Schlafanzug erinnernden Leoprint-Shirt vor seinem Computer sitzt und frech verkündet: „Ich habe keine Bock immer das selbe zu machen. Alle drei Monate eine Single für die Charts. Wen interessiert das denn? Mich nicht, ich weiß nicht mal, wer auf Platz 1 hier in England ist“, dann ist das eine Kampfansage. Statt sich anzupassen, macht er es wie bisher: sein Erfolg gründet auf Selbstvermarktung – Youtube statt Plattenfirma, gute Songs wann immer sie fertig sind, statt einem sicheren Alben mit zwei Radiosingles pro Jahr. „Wie ich es sehe, gehören Alben der Vergangenheit an“, sagte er dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ und es ist eine echte Kampfansage. Zwei erfolgreiche Songs hat er so schon bei iTunes verkauft, aber statt nun die dritte Single zu veröffentlichen und damit ein Album anzuschieben setzt er auf Rebellion gegen alle Erwartungen: „Deswegen veröffentliche ich gleich drei Singles auf einmal. Hauptsache es macht allen Spaß!“ Das ist gewagt und genial zugleich. Und es irritiert die Plattenfirmen. Fehlt nur noch, dass Day demnächst „God Save the Queen“ singt.

Ursprünglich erschienen im Prinz 08/2012.