Game-Features

Willkommen in der Zombie-Apokalypse

Was tun, wenn der Untote vor der Tür steht?

Actionspiel PC: Die „ArmA 2“-Mod „Day Z“ ist kein Spiel im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr ein Überlebenstraining der besonderen Art.

Sie stehen auf einer Straße irgendwo im Nichts. Sie haben Hunger, Durst und Ihnen ist kalt. In weiter Entfernung erspähen Sie eine Tankstelle – Zivilisation! Dort gibt es Essen, Wasser und vielleicht ein Dach über dem Kopf. Sie gehen darauf zu, doch irgendetwas stimmt nicht. Wo ist der Tankwart? Warum ist alles so heruntergekommen? Plötzlich hören Sie ein Gurgeln, ein Schlurfen. Und dann sehen Sie sie: Zombies. Gierige Augen fixieren Sie, als die zerfallenden Körper aus einer Hütte hinter der Tankstelle hervorkriechen. Und dann rennen Sie um Ihr Leben, doch es ist zu spät. Blutige Hände greifen nach Ihnen. Sie gehen zu Boden, sehen nur noch die Schatten über Ihnen, dann ist es dunkel. Sie sind tot.

Survival-Simulator statt Ego-Shooter

Dieses Szenario dürfte in groben Zügen etwa der Erfahrung der meisten Spieler von „Day Z“ entsprechen, der wohl beliebtesten Fan-Modifikation („Mod“) zum Militär-Shooter „ArmA 2“. Die Mod versetzt den Spieler in das 225 Quadratkilometer große Gebiet des Landes Chernarus, das von einem unbekannten, tödlichen Virus getroffen wurde. Infizierte bleiben aber nicht tot, sie kehren zurück – als Zombies. Sie übernehmen die Rolle eines der letzten gesunden Menschen und haben nur ein Ziel: Überleben! Und genau da liegt das Problem, denn „Day Z“ sorgt nicht einfach für eine Spielumgebung in typischer Shooter-Manier, sondern für eine echte Überlebenssimulation, die Sie auf ganz neue und ungewohnte Proben stellen wird (siehe Kasten). Sie benötigen immer wieder Nahrung und Wasser; auch Schutz vor dem Wetter ist notwendig. Und vergessen Sie bloß nicht die vielen Untoten, die Sie bei lebendigem Leibe auffressen wollen. Doch Waffen und Munition sind rar und jedes Haus kann – wie eingangs verdeutlicht – zur tödlichen Zombie-Falle werden. Jeder Schritt in der Welt von „Day Z“ birgt eine Gefahr, und der Tod ist unausweichlich. Bleibt also nur die Frage: Wie lange werden Sie überleben?

Der Macher von „Day Z“

Genau diese Frage musste sich der Entwickler der Mod, Dean Hall, vor einigen Jahren auch stellen, als er im Dienste der neuseeländischen Armee zu einem Überlebenstraining im Dschungel von Brunei ausgesetzt wurde. Die 30 Tage Kampf mit dem Urwald hinterließen ihn halb verhungert, schwer verletzt und völlig entkräftet – er benötigte mehrere Monate im Krankenhaus, um sich zu regenerieren. Doch die Erfahrung war zugleich auch Inspiration für „Day Z“. Hall programmierte die Mod im Alleingang und konnte binnen kürzester Zeit mehrere hunderttausend Fans für sein Survival-Spiel begeistern. Ein Vertrag mit Bohemia Interactive, dem „ArmA 2″-Entwickler, folgte umgehend, da der Erfolg der Mod auch das drei Jahre alte „ArmA 2“ wieder in die Verkaufscharts der Download-Plattform Steam hievte. Und so wuchs die „Day Z“-Community stetig an. Die Fans lobten die Herausforderung und begannen schnell Anforderungen an die Weiterentwicklung zu stellen. Mittlerweile gibt es 1,4 Millionen Nutzer, die am Spiel teilnehmen. Im Oktober 2012 entschied Hall sich dann, die Entwicklung in Teilen an die Fan-Community zu übergeben und sich mit seinem Entwicklerteam stärker einer Stand-Alone Version zu widmen. Die Mod wird nun parallel von vielen Teams weiterentwickelt, während man bei der Stand-Alone-Fassung vor allem daran arbeitet, die Spielerfahrung über die ursprünglichen „ArmA 2“-Begrenzungen hinaus wachsen zu lassen, wie Hall im Interview sagt (siehe Kasten). In seinem Blog gab er Anfang Dezember bekannt, die Stand-Alone-Version dürfte wohl erst 2013 auf den Markt kommen – noch seien ein paar Probleme zu beheben.

Menschliche Extremsituationen – eine Mod sie alle zu erleben

Hall wollte mit „Day Z“ nicht vornehmlich die Action in den Mittelpunkt des Spiels stellen, sondern die extreme menschliche Situation. Es ging ihm darum, die Bedrohung deutlich spürbar zu machen und so psychologisch angespannte Momente herbeizuführen. Er wollte die Folgen des Krieges und die Folgen von Entscheidungen über Leben und Tod simulieren. Menschen reagieren in diesen Momenten instinktiv und für Hall war es genau dieser Aspekt, der „Day Z“ so innovativ machte. Deswegen sterben Spielercharaktere in „Day Z“ endgültig und deswegen ist die Welt so gnadenlos. Laut dem Psychologen Alexander von Bethmann-Hollweg, 37, wird der Spieler quasi an eine evolutionäre Vorstufe erinnert: „Wir sind seit Jahrtausenden genetisch darauf programmiert Bedrohungen wahrzunehmen. In außergewöhnlichen Situationen reagieren wir ganz besonders sensibel und interpretieren vieles als bedrohlich. Dann setzt reflexartig unser Flucht- oder Kampfverhalten ein.“ Und weil die Spielwelt persistent ist – es also weder Neustarts gibt, noch ein zweites Leben – kann einmal Geschehenes nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Flucht- oder Kampfverhalten bringen im Spiel dauerhafte Konsequenzen mit sich und machen gerade deswegen die anderen Spieler und nicht die Zombies zum gefährlichsten Moment des Spiels. Der Mensch das Raubtier.

Kooperation oder Konfrontation – „Day Z“ für Individualisten

Spielerreaktionen bestätigen dies deutlich. Da gibt es die Kollaborateure, die sich in Gruppen zusammenschließen und so den Gefahren der Welt zu trotzen versuchen. Gerade unter Anfängern ist dies eine verbreitete Taktik, um die Überlebenschancen zu steigern. So suchen Spieler wie slahs beispielsweise über Foren Kontakt: „Wir sind keine Banditen aber auch keine Heroes sondern eine nette Gruppe, die Spaß am Spiel und Gemeinschaft hat.“ (day-z.de) Der gemeinsame Überlebenskampf verbindet und die Gruppe bietet Schutz – vor Zombies aber auch vor den Banditen. Als solchen werden in „Day Z“ Spieler bezeichnet, die zum eigenen Überleben andere Spieler töten und sie plündern. Dabei ist der Kreativität keine Grenze gesetzt und Spieler entwickeln sehr elaborierte Techniken. So berichtet xnixonx in einem Forum, dass er sich in eine Gruppe eingeschlichen habe und drei Tage mit ihnen gespielt hätte, um diese in einen Hinterhalt seiner Banditen-Gang zu locken: „Ihr seid ja aber auch so was von leichtgläubig! Jetzt seid ihr tot und wir haben eure Waffen und Ausrüstung. Ihr Loser!“ (dayzmod.com) Der Tod durch andere Spieler ist nicht unüblich, wie auch COMPUTERBILD SPIELE beim Test immer wieder feststellen musste (s.u. Zeitleiste).

Realismus Light – die Tücken der „ArmA II“-Mod

Die Lobeshymnen der Hardcore-Spieler sind enorm, bietet „Day Z“ doch eine einzigartige psychologische Erfahrung, die erfahrene Spieler vor ganz neue Herausforderungen stellt. Doch nicht alles an der Mod ist überzeugend. Vor allem die durch das Original-Spiel „ArmA II“ gesetzten Rahmenbedingungen sind für eine umfangreiche Survival-Simulation teilweise zu restriktiv. So kann der Spieler in „Day Z“ beispielsweise nicht auf Gebäude oder Bäume klettern – eine Handlungsweise, die angesichts der Horden von Zombies nicht unwahrscheinlich wäre. Auch sind im Moment nur sehr wenige Gebäude überhaupt betretbar und Objekte befinden sich immer auf dem Boden des Eingangsraums, nicht etwa in Schränken oder Truhen. Improvisierte Waffen gibt es nicht, Werkzeuge (wie ein Beil) können nicht „missbraucht“ werden, und „echte“ Waffen sind unglaublich rar. Und das umständliche und völlig unlogische Inventar-System treibt Spieler reihenweise zur Weißglut. Doch die größte Kritik von Gamern wie dem 15-jährigen Gymnasiasten Fabrice Christ zielt vor allem auf die technische Umsetzung: „Das Spiel ruckelt und die Verzögerung von Handlungen macht das Töten von Zombies fast unmöglich, selbst bei geringer Grafikeinstellung.“ Doch all dies, so zumindest Entwickler Dean Hall, soll sich bei der Stand-Alone Variante nun ändern.

Fazit – Wie gelungen ist „Day Z“?

Wer sich selbst an die psychologischen Grenzen der Belastbarkeit bringen und dabei mehr über eigene Tiefen und Abgründe erfahren möchte, der ist bei „Day Z“ genau richtig (s. Kasten „Was Day Z aus mir machte“). Insbesondere Shooter-Veteranen werden die extremen Herausforderungen des Spiels und die unglaublich dichte, bedrohliche Atmosphäre des Spiels in vollen Zügen genießen können. Wichtig hierfür sind eine High-End Ausrüstung in Sachen Computer und jede Menge Frustrationstoleranz, die das Spiel jedem Überlebenden abfordert. Für Gelegenheitsspieler jedoch ist die Mod enorm anstrengend. Das Fehlen jeglicher Spielmechanismen wie etwa einer Lernkurve oder einer Zielsetzung machen „Day Z“ zu einer einzigartigen Erfahrung, die eben nicht für jeden gleichermaßen geeignet scheint. Die reichhaltigen Ergebnisse des Mod-Feldversuchs werden nun aber in eine Stand-Alone Version einfließen und es bleibt zu hoffen, dass Hall und sein Team einige Imperfektionen ausbessern konnten. Vielleicht wird „Day Z“ so dann doch noch zur echten Survival-Simulation, die von allen Spielern erfahrbar ist.

 

Ursprünglich erschienen in Computer Bild Spiele.