Invasion von der Wega
DVD Booklet der Neuveröffentlichung der Serie “Invasion von der Wega” (Original: The Invaders)
„Fremde Wesen aus dem Weltraum. Ihr Ziel: die Erde. Ihr Plan: sie für sich zu erobern. Ihre Ausgangsbasis: Amerika. David Vincent hat sie gesehen. Für ihn begann alles eines Nachts, als er auf einer einsamen Landstraße eine Abkürzung suchte, die er niemals fand. Es begann an einem abgelegenen, verfallenen Gasthaus, wo er anhielt, da er zu müde war, um weiterzufahren. Es begann mit der Landung eines Raumschiffes von einem anderen Sonnensystem. Jetzt weiß er, dass die Eindringlinge da sind. Er wird erfahren, dass sie von einem Planeten der Wega kommen, dass sie menschliche Gestalt angenommen haben und er muss eine ungläubige Welt davon überzeugen, dass die lautlose Invasion bereits begonnen hat.“
Der Macher hinter der Produktion: Quinn Martin
Martin, der als Irwin Martin Cohn 1922 zur Welt kam, wuchs im Filmgeschäft Hollywoods auf. Sein Vater arbeitete im Schnitt der großen MGM-Studios und Martin folgte ihm schon früh in die Filmkarriere, zunächst als Sound Editor. Mitte der 1950er Jahre wechselte er dann recht erfolgreich ins Fach der Produktion und konnte mit The Untouchables (dt. Die Unbestechlichen, 1959-63) sogar einen Emmy-Award auf seinem Konto verbuchen. 1960 gründete er seine eigene Firma QM Productions, mit der er in den darauf folgenden 18 Jahren bis zu ihrem Verkauf für mehr als 2000 Stunden Fernsehunterhaltung verantwortlich zeichnen sollte.
Er galt als ernster, mit unter gar humorloser „Macher“, der seine Produktionen nach Effektivität ausrichtete und entgegen der üblichen Verfahren in verschiedenen Departments entwickeln ließ. Jede Serie wurde in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt (Planung, Produktion, Nachbearbeitung) und einzig Quinn Martin selbst behielt die vollständige Kontrolle über seine Serien. Bei seinen Mitarbeitern galt Martin als „gutmütiger Despot“ (so Alan Armer, ein Produzent aus QMs Team), der ein besonderes Auge auf Qualität hatte und deswegen den besten Lohn in der Branche zahlte. Nur mit diesem erhöhten Budget ließen sich die von Martin gewünschten Standards halten: extensive Außendrehs, hochwertige Ausstattung und vor allem Stars, die sonst dem TV fern blieben.
Inhaltlich waren Martins Shows zumeist ernst und besonders nah an der Realität. Seine Spezialität waren erdige Krimi- und Actionserien mit starken, heroischen Hauptfiguren (Polizisten oder andere Justizangestellte) und deren Suche nach Gerechtigkeit. Kriminal-Serien wie The Fugitive (dt. Auf der Flucht, 1963-67), The F.B.I. (dt. FBI, 1965-74), The Streets of San Francisco (dt. Die Straßen von San Francisco, 1972-77) und Cannon (1971-76) prägten das Fernsehen in den 1960er und 70er Jahren maßgeblich und nachhaltig und machten Quinn zu einer absoluten Genre-Größe. Die Science Fiction-Serie The Invaders (dt. Invasion von der Wega, 1967-68) hingegen war eine der wenigen Ausnahmen, die als Ausflüge in die fantastischen Genres zu bezeichnen sind. Insgesamt produzierte Martin sechszehn TV-Serien und knapp zwanzig TV-Filme bevor er sich 1979 aus dem Geschäft zurückzog und als Gastprofessor an der University of California Theaterwissenschaften unterrichtete. Er verstarb 1987 an einem Herzinfarkt.
Die Idee zur „Invasion von der Wega“: Larry Cohen
Der zweite maßgeblich an der Serie beteiligte Mann, Larry Cohen, steht in deutlichem Kontrast zum pragmatischen und konservativen Produzenten Quinn Martin. Der 1941 geborene Cohen wurde vor allem durch seine B-Movie-Produktionen der 1970er und 1980er Jahre bekannt, die irgendwo zwischen Science Fiction, Horror und Satire pendeln. Cohen gilt als absoluter Filmfanatiker und verbrachte den Großteil seiner Jugend im Kino. Insbesondere seine Liebe für Alfred Hitchcock sollte ihn für sein späteres Schaffen maßgeblich inspirieren: Unter anderem findet sich der Film North by Northwest (dt. Der unsichtbare Dritte, 1959) unter den von Cohen genannten Quellen für The Invaders.
Bereits mit 17 Jahren (und unter Angabe eines gefälschten Geburtsdatums) beginnt der als Drehbuch-Wunderkind geltende Cohen 1958 für das Fernsehen zu schreiben und avanciert schnell zu einem gefragten Autoren für Serien wie Checkmate (1960-62), Sam Benedict (1962-63), The Defenders (dt. Preston & Preston, 1961-65) oder The Fugitive (dt. Auf der Flucht, 1963-67). Doch gerade sein Gespür für interessante Serienstoffe bringt den Erfolg. Er entwickelt die Western-Serie Branded (dt. Geächtet, 1965-66), um einen wegen Feigheit verurteilten Soldaten, der um seine Rehabilitation kämpft und Coronet Blue (dt. Das Geheimnis der blauen Krone, 1967), eine Serie um einen Mann mit Gedächtnisverlust, der von einer mysteriösen Gruppe gejagt wird und versucht, seine Vergangenheit zu rekonstruieren. The Invaders verbindet diese Motive der Suche und Verfolgung, nur dass diesmal ein Mann Beweise für die Existenz Außerirdischer sammelte, um die Welt davor zu retten, einer Invasion zum Opfer zu fallen.
Ende der 1960er Jahre verlässt Cohen das Fernsehen, um sich dem Film zuzuwenden. Seine Unzufriedenheit mit der Umsetzung seiner Manuskripte bringt ihn 1972 jedoch dazu, selber die Regie zu übernehmen. Insbesondere die Film-Reihe It’s Alive (Die Wiege des Bösen, 1974), It Lives Again (Die Wiege des Satans, 1978) und It’s Alive III: Island of the Alive (dt. Die Wiege des Schreckens, 1987), aber auch eigenständige Produktionen wie God Told Me To (1976) oder Q (dt. American Monster, 1982) verschaffen ihm den Ruf als Meister des B-Movie-Horror. In den 1990er Jahren besinnt er sich auf das Schreiben und landet 2002 mit Phone Booth (dt. Nicht auflegen!, 2002) unter der Regie von Joel Schumacher seinen wohl erfolgreichsten Film.
Hintergrund der Kult-Serie
In den 1960er Jahren war die Science Fiction (SF) im US-amerikanischen Fernsehen vor allem durch zwei wichtige Produzenten geprägt geworden, deren Serien sich für zukünftige Produktionen als Inspirationen verankern sollten. An einem Ende des Spektrums standen die effektreichen, unterhaltsamen und vor allem auf Kinder ausgerichteten Serien Irwin Allens: Voyage to the Bottom of the Sea (dt. Die Seaview: In geheimer Mission, 1964-68), Lost in Space (dt. Verschollen zwischen fremden Welten 1965-68), The Time Tunnel (1966-67) und Land of the Giants (dt. Planet der Giganten, 1968-70). Allen war berühmt für seine große Affinität zum Spektakulären und seine Shows galten als seichte Unterhaltung ohne tiefgehenden Anspruch. Am anderen Ende des Spektrums stand Gene Roddenberrys Star Trek (dt. Raumschiff Enterprise, 1966-69), die ein erwachseneres Publikum vor allem durch die Darstellung einer utopischen Gesellschaft zu gewinnen versuchte. Die Präsentation einer extrem liberalen Gesellschaft in der Föderation der freien Planeten stand dabei in starken Kontrast zur Realität einer Gesellschaft, die in von Rassismus, Sexismus und Klassenunterschieden geprägt war. Die kritische Haltung der Sendung, in der auch aktuelle Probleme wie der Kalte Krieg thematisiert wurden, war allerdings nur möglich, da sie ihre Handlung weit in die Zukunft verlegte und die zur Erschaffung der Föderation nötigen Wandlungen explizit aussparte. Auch diese Serie wurde jedoch oft von Jugendlichen konsumiert und konnte im Kampf um deren Gunst nicht vollständig auf spektakuläre Effekte und action-lastige Abenteuerplots verzichten.
In starkem Kontrast dazu stand die 1967-68 von ABC ausgestrahlte Serie The Invaders, die beabsichtigt auf Effekte verzichtet. Mit nur minimalem Einsatz von Tricktechnik und einer psychologischen Ausrichtung konnte die Serie im Verlauf der ersten Staffel ein beachtliches Publikum erreichen, das vornämlich aus Erwachsenen bestand. Die Prämisse einer Invasion von Außerirdischen, die unerkannt und ununterscheidbar von den Menschen unter uns leben war düster und von höchster Ernsthaftigkeit. Laut Hauptdarsteller Roy Thinnes verstand Produzent Quinn Martin die Serie als bodenständiges Drama, dessen SF Element einzig dazu geeignet war, die Menschen in Angst zu versetzen. Statt einer persönlichen Bedrohung für den Protagonisten (wie etwa in The Fugitive, in der Dr. Kimble fälschlich des Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt wurde und nun seine Unschuld beweisen musste) versetzte das Alien-Szenario die Macher der Serie in die Lage, eine globale Bedrohung ins Rennen zu schicken und so die verbreitete Angst zu potenzieren. Für Martin war The Invaders eine „Studie in Paranoia“.
Als Inspiration für die Serie hatte Autor Larry Cohen jedoch nicht The Fugitive im Sinn. Cohen selbst gibt an, er sei vor allem von Alfred Hitchcocks einsamen und missachteten Helden, die gegen einen Komplott ankämpfen müssen inspiriert worden: Zu seinen Lieblingsfilmen zählen The 39 Steps (dt. Die 39 Stufen, 1935), Saboteur (dt. Saboteure, 1942) und ganz klar North by Northwest (dt. Der unsichtbare Dritte, 1959). Hitchcocks Formel des einsamen Helden und der Verschwörung galt Cohen als Garant für spannende Abenteuer und da sie bis dahin hauptsächlich im Film aber nicht im Fernsehen Verwendung gefunden hatte, übernahm er die Prämisse für The Invaders.
Als zweiten kreativen Input gibt Cohen freizügig die Science Fiction-Filme seiner Jugend an. Gerade die 1950er Jahre lieferten ihm einen immensen Fundus an Filmen über außerirdische Invasoren und deren Versuche die Erde zu übernehmen. Insbesondere zwei Filme waren für Cohen eine Erleuchtung: In William Cameron Menzies Invaders from Mars (dt. Invasion vom Mars, 1953) entführen die Invasoren vom Mars Menschen, um ihnen Kristalle zur Gedankenkontrolle einzusetzen und sie so zu kalten, emotionslosen Wesen zu machen, die bedingungslos den Befehlen des zentralen Mars-Hirns folgen. In Don Siegels Klassiker Invasion of the Body Snatchers (dt. Die Dämonischen / Die Invasion der Körperfresser, 1956) hingegen werden nicht etwa die Menschen selbst manipuliert, sondern durch exakte Replikationen ersetzt, die sich aber wiederum durch besondere Kälte und Unmenschlichkeit auszeichnen. Die ‚Körperfresser‘ des Titels sind jedoch keine humanoiden Lebenwesen, sondern eine parasitäre Lebensform, die nur äußerlich menschliche Gestalt annimmt. Der Film ist gezeichnet von einer ausgeprägten Paranoia, die sich breit macht, weil so viele Menschen in Replikationen ihrer selbst verwandelt worden sind und kein Ausweg zu existieren scheint.
Diese Paranoia ist es, die auch The Invaders kennzeichnet und die einen politischen Kommentar seitens Larry Cohen darstellt. In den 1950er Jahren waren die Filmstudios Hollywoods Schauplatz einer ganz eigenen Suche nach ‚inneren Feinden‘ gewesen: Die ‚rote Angst‘ ging zu dieser Zeit des eskalierenden Kalten Krieges um, und angestachelt durch Senator Joseph McCarthy begann in den USA eine wahre Hexenjagd auf Kommunisten, die man vor allem unter Künstlern und Intellektuellen wähnte. Davon stark betroffen waren die Film- und Fernsehproduktionen Hollywoods, an deren Sets plötzlich Verfolgung und Verleumdung herrschten. Selbstzensur war ebenso die Folge wie die Stärkung konservativer, ur-amerikanischer Themen in den verbleibenden Produktionen. Die Alien-Invasionsfilme der Zeit waren entsprechend Ausdruck einer Haltung, die versuchte mit den Mittel der Science Fiction die Hetzjagden und Denunziationen zu rechtfertigen und ein Gefühl der Bedrohung zu transportieren. Dass The Invaders dieses Motiv so prominent aufgreift, und zwar 10 Jahre nach der letzten Welle des McCarthyismus, wendet die Aussage gegen das etablierte System der Selbstzensur. 1967 wusste ganz Amerika, dass in Hollywood keine ‚rote Bedrohung‘ zu finden und dass die Vorwürfe reine Hysterie gewesen waren. Die Serie wirkt somit politisch ironisierend, in dem sie auf der Oberfläche das Invasion-Motiv bestätigt und durch die Invasoren ja tatsächlich eine Bedrohung vorhanden ist. Aber genau hier liegt die Kritik: Die Autoritätsfiguren in der Serie glauben Vincent nicht und ergehen sich selbstgefälliger Aburteilung des ‚Verrückten‘. Wo keine Bedrohung vorhanden war, da geriet das System in Aufruhr. Die echte Bedrohung jedoch erregt niemanden mehr – Amerika ist zu bequem geworden, und Selbstsicherheit und Bequemlichkeit werden somit zu Feinden der Freiheit.
In einer Zeit innerer Unruhen und politischer Machtkämpfe wagt The Invaders also einen wichtigen Schritt zur Politisierung des Unterhaltungsformats Fernsehen, auch wenn die Botschaft vielen Zuschauern nicht bewusst gewesen sein mag. Dennoch konnte die Serie mit ihrem Motiv einer Invasion von Außerirdischen, einer Infiltration und Bedrohung von Innen viele wichtige Formate für die Zukunft inspirieren. Insbesondere die wohl wichtigste SF-Serie der 1990er Jahre wäre wohl nie so erfolgreich geworden, hätte ihr Erfinder Chris Carter nicht in seiner Jugend The Invaders geschaut. In The X-Files (dt. Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI, 1993-2002) konnte Carter das Motiv der Infiltration aufgreifen und noch viel expliziter auf die Komplizenschaft der Behörden, die Unfähigkeit einer Selbstregulation und vor allem die Ohnmacht gegenüber einer solchen Verschwörung verweisen. Paranoia wurde hier zum Hauptmotiv der seriellen Unterhaltung, ganz so wie es für kurze Zeit schon 25 Jahre zuvor der Fall war. The Invaders ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Science Fiction-Fernsehens und dank dieser DVD-Box nun einer neuen Generation von Zuschauern erstmals zugänglich.
Was Sie über die Invasoren wissen müssen…
- Im englischen Original sind der Name ihres Heimatplaneten und ihrer Rasse nicht bekannt, die Wega ist nur im Titel der deutschen Übersetzung zu finden.
- Sie können menschliche Gestalt annehmen, benötigen dazu aber Zeit in den Regerationskammern, sonst fangen sie an rot zu glühen.
- Wenn sie sterben verglühen sie vollständig in rotem Licht und lassen nichts zurück außer ein paar Rußspuren.
- Sie haben kein Schmerzempfinden, bluten nicht und sie haben auch keinen Herzschlag.
- Sie sind emotionslos und müssen menschliche Gefühlen erlernen und nachspielen.
- Einige von Ihnen haben eine Deformation der Hand und können ihren kleinen Finger nicht krümmen, so dass dieser permanent absteht.
- Sie sind technologisch weit fortgeschritten und besitzen Raumschiffe, Regenerationskammern und scheibenförmige Waffen, mit denen sie bei Menschen Hirntumore oder Herzinfarkte auslösen können.