Auf in die weite Welt
Der polnische Musikmarkt ist der viertgrößte Europas und dennoch ist außerhalb der Landesgrenzen kaum ein Künstler bekannt. Völlig zu unrecht, wie das internationale Debüt der polnischen Elektro-Metaller Delight beweist.
Paulina „Paula“ Maslanka ist ein Teil der neuen Generation Polens, die nicht unter der sowjetischen Fuchtel aufgewachsen ist. Sie wurde von MTV großgezogen und hat schon immer Coca-Cola zu trinken bekommen. Da war es ja klar, dass sie sich nicht mehr mit den alten Werten identifizieren kann und stattdessen die Modernität in ihr Herz geschlossen hat. Sie will etwas erreichen, will hoch hinaus und stößt mir ihrem Selbstbewusstsein nicht immer auf Verständnis bei ihren Landsleuten: „Die meisten Polen mögen es nicht, wenn man sich selber lobt. Es ist so etwas wie polnisches Nationalverständnis, sich selbst klein zu halten und zu meckern. Aber ich denke, es ist ganz und gar nicht eitel, wenn man seine eigenen Leistungen benennen kann. Und wir haben echt hart dafür arbeiten müssen, jetzt endlich anerkannt zu werden. Diesen Erfolg genieße ich. Wir sind zum Beispiel heute zum ersten Mal im polnischen Fernsehen.“ Der Stolz über das Erreichte spricht aus ihr, denn trotz vier national verkaufter Alben ist die Band keineswegs ein polnischer Mainstream-Act. Im Gegenteil, erst der internationale Plattenvertrag mit Roadrunner Records hat jetzt auch in Polen zum Durchbruch geführt, wie Paula erklärt: „Wir stehen auch in Polen noch am Anfang, weil wir alternative Musik spielen. In den Medien ist unsere Musik bislang nie präsent gewesen, die trauen sich nicht so etwas zu spielen. Aber jetzt mit dem Plattenvertrag erlangen wir endlich eine gewisse Aufmerksamkeit auch im Mainstream. Wir schaffen mit dem Album den Durchbruch.“
Darum haben Paula und ihre fünf Mannen das Album auch passenderweise „Breaking Ground“ betitelt. Es ist eine musikalische Gradwanderung zwischen Metal-Riffs, elektronischen Spielereien und einer mal filigranen, mal kraftvollen weiblichen Stimme. Das dabei eine Nähe zu Evanescence aufkommt, stört Paula nicht so sehr: „Wir machen unsere Musik schon seit 10 Jahren, da kannte die doch noch keiner.“ Macht auch nichts, denn die 13 Songs auf „Breaking Ground“ sind für Delight ein großer Schritt nach vorne. Man hat sich von dem klischeehaften Sound einer Gothic-Metal-Kombo schon lange gelöst und durch die Wahl von Rhys Fulber (u.a. Front Line Assembly) als Produzenten eindeutig auf die elektronische Ausrichtung konzentriert. „Wir wollten auf keinen Fall nach all den anderen Metalbands klingen, die mit weiblichem Gesang arbeiten. Keine Streicher, kein großes Pathos. Das war uns zu sehr Klischee. Rhys war da die richtige Wahl. Er kann wunderbar mit Elektronik umgehen und hat ein Gespür für poppige Melodien,“ schwärmt Paula von ihrem Produzenten.
Um mit dem Album neue Wege zu beschreiten und dennoch nicht die alten Fans in Polen zu verschrecken, hat man sich für eine Mischform entschieden und fünf alte Songs vom letzten Album „Anew“ mit auf die Scheibe genommen: „Ja, aber die Songs sind neu arrangiert und von mir auch neu eingesungen. Dazu kommen die neuen Songs, die sich daran nahtlos anfügen. Das Album wirkt schlüssig,“ erklärt Paula. Insbesondere der weichere Gesang macht die Songs tatsächlich wirkungsvoller und interessanter. Ein großer Schritt, der jetzt nur noch auf dem internationalen Parkett überzeugen muss, damit Paula es geschafft hat, Polen endlich auf der musikalischen Weltkarte einzuzeichnen.
Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 03/07.