Der Weg des Kriegers
Einst beschworen sie die „Warriors of the World“, riefen sich als „Kings of Metal“ aus und nun auf ihrem neuesten Album ist die Apotheose komplett. „Gods of War“ heißt das Meisterwerk, das Manowar dem nordischen Gott Odin widmen, und mit dem sie sich einen Platz in Walhalla sichern wollen.
Das Spiel mit mythologischen Versatzstücken und epischen Posen, das sich bei Manowar wie ein roter Pfaden durch die Karriere zieht, hat mit „Gods of War“ einen ultimativen ersten Höhepunkt erhalten. Das Album beginnt mit einer 6-minütigen Ouvertüre im Wagner’schen Bombast-Stil und erzählt dann in über 70 Minuten den Mythos des nordischen Gottes Odin und seiner Heldentaten. Doch „Gods of War“ ist von Joey DeMaio und Mannen nur als erste in einer Reihe von Verbeugungen vor den großen Göttern und Helden gedacht, wie er bei der Listening-Session nicht müde wird, zu erwähnen: „Wir verfolgen da ein größeres Konzept. Eine Art Queste, die uns zu verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen Helden führen wird.“ Eigentlich hätte das Album gleich ein Doppelalbum werden sollen: Odin und Thor in holder Zweisamkeit, aber der Druck der Finanzen hat sie dazu gezwungen sich erstmal auf Odin zu konzentrieren.
Der nordische Gott, Held und ersehnter Gastgeber aller Wikinger-Krieger im Jenseits, bot sich zur Vertonung geradezu an. Sein Leben – ja, er war ein endlicher Gott – ist voller Selbstaufopferung, Heldenmut und natürlich epischer Überwindung des Unüberwindbaren. Genau darin liegt für Joey die Botschaft, die uns Odins Geschichte vermitteln kann: „Es gibt etwas in uns, dass von dieser Mythologie angesprochen wird. Einen Impuls, der uns dazu bringt, über unsere Grenzen zu gehen. Zum Beispiel der Feuerwehrmann, der in ein brennendes Haus stürmt, um Mutter und Kind zu retten, und dabei sein eigenes Leben aufs Spiel setzt. Diesen Impuls meine ich. Ich glaube, der liegt in jedem von uns begraben. Es bedarf der richtigen Inspiration, um den Funken der Größe zu wecken. Es ist die Frage, was wir mit unserem Leben anfangen wollen. Das ist die Essenz von Heldenmut. Jeder von uns ist ein Held. Immer wenn jemand dich braucht und du für ihn da bist, dann bist du ein Held. Dafür musst du nicht in brennende Gebäude rennen. Aber diese Qualität des Helden macht uns zu dem, was wir sind. Du musst dich nur dafür entscheiden.“
Auf „Gods of War“ vertonen Manowar eben diese Inspiration, immer wieder ergänzt durch Erzählungen zu Odins Leben. Dabei pendelt das Werk zwischen Wagner-Oper mit orchestralem Pomp und stimmgewaltigen Chören und purem, klassischen Metal wie man ihn von der Band seit 25 Jahren mit absoluter Zielsicherheit vorgesetzt bekommt. Wieso aber holt man zur Inspiration so weit aus, geht zurück bis in die Wikingerzeit? „Weil die Helden von heute sich bei den Helden von damals inspirieren lassen. Damit hat nun einmal alles angefangen, dort liegt die Essenz,“ sagt Joey und lacht über die Nachfrage, warum es denn ausgerechnet wieder ein Album über Krieg, Muskelmänner und Heldentod sein musste: „Diese Dinge sind doch nur Metaphern und Bilder, die wir nutzen, um etwas zu verinnerlichen und uns später darauf zu berufen. Wenn du von Krieg sprichst, oder Kampf, dann kann das auch einen innerlichen Konflikt beschreiben, wie die Entscheidung seinen Job zu wechseln, oder seinen Partner zu verlassen. Diese Geschichten dienen als Inspiration und als Erinnerung, unser Leben bei den Hörnern zu packen. Wenn ich an Odin denke, wie er neun Tage lang an einem Baum hing, um die Weisheit zu finden, dann kann ich mich auch überwinden meinem Boss zu sagen, er soll mehr Geld auf den Tisch packen. Wir brauchen Inspirationsquellen heutzutage, es gibt eh schon viel zu wenige davon.“
Und wer sich davon inspirieren lässt, dem verspricht Odin einen Platz unter all den anderen Helden und Kriegern in den Hallen seines Götterpalastes Walhalla. Ein Platz für Menschen, die über sich hinausgehen; Götter unter uns Menschen sozusagen? „Das ist tatsächlich ein interessantes Konzept und ich hatte das Glück mit solchen Göttern unter uns Menschen zu arbeiten und ihnen zu begegnen. Damit meine ich Menschen, die sich selbst zu höchsten Leistungen antreiben, die enorm talentiert und dabei enorm demütig geblieben sind. Menschen die großzügig sind, die verehrt werden und es sich dennoch nicht anmerken lassen. Das sind Götter unter uns Menschen.“ Joey gerät bei diesen Worten in Ehrfurcht und lobt die Ideale, die man als Mensch haben sollte. Eine Seite, die man dem Rockstar aus Klischeegründen schon nicht zugestehen wollte, die er aber ebenso überzeugend verkörpert. „Man, Warrior, King, God – ich bin alles, immer gerade das, was gebraucht wird,“ sagt Joey und lacht dann wieder. Vom Krieger zum König zum Gott, Manowar haben den nächsten Schritt auf der unaufhaltsamen Leiter aufwärts genommen und liefern ganz nebenbei ein episches Machwerk von mythischen Ausmaßen ab; ganz dem Thema gereichend.
Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 03/07.