Verweigerung des Trends
Als 1992 mit Grunge eine Welle alternativer, betroffener und vor Emotionalität triefender Musik aus den USA den Rocksektor revolutionierte, da saßen fünf Bubis an einem Fuldaer Gymnasium und entschieden sich, diesen Trend auf keinen Fall mitmachen zu wollen. So gründeten Tobias Sammet und seine Mitstreiter die Band Edguy, und verschrieben sich dem Metal – ganz klassisch und inspiriert von damals schon anachronistischen Bands wie AC/DC, Iron Maiden und Kiss. Ihrem eigenen Weg blieben die Jungs bis heute treu: keinem Trend nachgeben. In konsequenter Ignoranz jeglicher Einflüsse wie Crossover, Nu Metal, Emocore oder sonstiger Schubladen der Musikkritik und gegen enorme Widerstände der Branche vermochten die fünf Metal-Recken sich mit viel Selbstironie einen eigenen Stil anzueignen, der sich als Melodic Power Metal umschreiben lässt. Spätestens seit ihrem 2001er „Mandrake“-Album und der folgenden Welttournee gelten Edguy als deutscher Export Nummer 1 in Sachen Metal. Ihre Musik ist dabei bis heute kraftvoller Metal mit Powerriffs, Stadion-Melodien und einem Faible fürs Dramatische. Für ihr neues Album „Rocket Ride“ haben sie den Widerstand gegen die Modernisierung ihrer Musik auf die Spitze getrieben und sich sogar einiger technischer Finessen der analogen Aufnahme bedient. „Zum ersten Mal haben wir Drums, Bass und Rhythmusgitarren live in einem Raum eingespielt, alles zur selben Zeit“, erzählt Sänger Sammet. Eine solche Studioarbeit mit Bandmaschine war in den 80er Jahren zuletzt üblich. Die Kompression der Bänder, die nachträglich in das digitale Format übertragen wurden, beschert dem Album aber eine ungewöhnlich warme Klangfarbe. Man merkt den Stücken an, dass sie nicht kalt und technisch zusammen gezimmert wurden. Hinzu kommt die Anwesenheit von Produzent Sascha Päth während der ganzen Produktion. Päth gab diesmal die Aufnahmen nicht, wie heute üblich, aus der Hand und verpasste jedem Song selber ein individuelles Mastering. Die auf dem Album versammelten Sounds wirken dadurch kraftvoll, die Riffs rocken bombastisch, und die ganze Produktion erhält eine lebendige Kohärenz. Manchmal lohnt es sich, nicht dem Trend hinterher zu hecheln und manches Alte hat auch heute noch seinen Wert.
Der Artikel ist erschienen im WOM Magazin Ausgabe 02/06.
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