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In Extremo – Kein Blick Zurück

 

Irgendwann nach dem Mauerfall, da dümpelte der gebürtige Thüringer Micha Rhein in einer dunklen Berliner Kaschemme hinter der Bar rum und ein Mittelalter-Musiker fragte ihn, ob er trommeln könne. Micha hat sich nichts dabei gedacht und bereits am nächsten Tag die erste Performance gegeben. Eine Liebe war geboren. Vor 10 Jahren dann hatte der Mann, der sich „Das letzte Einhorn“ nennt, seine eigene Truppe zusammen und dachte sich: „Da fehlt `ne Gitarre drin, bin ja Schließlich ein Rocker. So kam das mit dem Mittelalter und dem Rock. Ist doch auch logisch.“ Micha ist ein unkomplizierter Mucker, ganz Berliner, und sitzt entspannt auf der Couch des Hamburger „Nachtlager“, während im Hintergrund die „Best Of“ seiner Band In Extremo durchläuft. Auf die Frage nach dem damals unbekannten Stilmix aus Dudelsack und E-Gitarre meint er nur lächelnd: „Wenn die Spielleute von damals `ne E-Gitarre zur Verfügung gehabt hätten, dann hätten die das auch so gemacht.“ Ob das so stimmt? Auf jeden Fall haben sich In Extremo eine treue Fangemeinde mit ihrer Musik erworben, die die Authentizität der Band, ihre Wurzeln als Straßenmusiker und Unterhalter zu schätzen weiß. Den Erfolg der Band sieht Micha jedenfalls genau dort: „Wir haben uns nicht verbogen, haben einen Haufen Lehrgeld gezahlt und hatten natürlich auch einen Funken Glück. Aber letztendlich sind wir wie wir sind: räudige, ehrliche Säcke.“ Diese ehrlichen Säcke haben jetzt bei der Konzeption ihrer „Best-Of“-Doppel-CD nicht einfach einen Blick zurückgeworfen, sondern sie haben die Stücke neu aufgenommen, teilweise aufwendig neu arrangiert und zwei neue Kompositionen hinzugefügt, alles für die Fans und den richtigen Sound. Mit der zweiten CD haben sie dann auch noch ein Experiment gewagt, indem sie ihre Stücke zum Covern an befreundete Bands gegeben haben. So wie die Metaller Gravedigger, die Berliner Silbermond oder den Entertainer Götz Alsmann, der sich an eine jazzige Klavierversion von „Singapur“ wagt. Interessant und unerwartet ist der Sound dieser CD. Und eine schöne Ergänzung zu „Kein Blick Zurück“, die eine gelungenen Zusammenstellung von 10 Jahren In Extremo darstellt.

Der Artikel ist erschienen in WOM Ausgabe 12/06.