Musik-Features

Volk und Nation

Laibach verstehen sich nicht als Musiker, sie sind Staatskünstler um genau zu sein. Und da ihr Staat mit der Perestroika zerfiel, gründeten sie ihren eigenen. Auf „Volk“ erforschen sie nun das Empfinden ihrer Staatsbürger. 

Die Zuordnung als Staatskünstler liegt tief im Selbstverständnis des Musikerkollektivs Laibach, und mit der Gründung des Staates NSK (Neue Slowenische Kunst) haben sie 1991 nachträglich dieser Wahrnehmung bestätigt. „Der Staat NSK koexistiert friedlich – als Parasit und als Virus – innerhalb der existierenden Systeme und Staaten und nimmt sich deren beste Bestandteile. Laibach ist Teil dieses Staates, kann aber nicht einer einzelnen Nation oder einem einzelnen Territorium angehören. Wir gehören der ganzen Welt und dem Universum“, lassen die Mitglieder per Email verlauten. Mit Laibach zu kommunizieren ist nicht immer leicht, da das Kollektiv nach Aussen nur als solches auftritt und einzelne Mitglieder nicht öffentlich sprechen, so dass man als Journalist schon mal wie bei einem Visum mit seinen Fragen an der Grenze hängen bleiben kann. Und das, was da als Antwort kommt, klingt stark nach staatskonformen Aussagen, nur das diese im Falle Laibachs halt extrem auf künstlerische Form hin stilisiert wurden.

Das Spiel mit sozialistischen Systemen hat bei Laibach seit 1984 Methode und so gehören die gezielte Provokation und die zelebrierte Dualität der Aussage zu den beliebtesten Stilmitteln der Musiker. Auf ihrem jüngsten Machwerk „Volk“ ließen sich die Musiker von Nationalhymnen inspirieren. Die Auswahl der Nationen viel dabei auf diejenigen, „die im historischen Kontext und in ihrer Rolle im politischen und kulturellen Imperialismus auffällig waren. Das Hauptkriterium lag dabei auf dem imperialen Charakter des Nationalstaates, wobei wir uns auf die aggressivsten konzentriert haben.“ Das Kollektiv übernimmt in den Stücken zumeist einige Zeilen aus der Originalhymne und ergänzt sie dann durch englische Texte, die über einer minimalistischen Elektronikkulisse liegen. Gänzlich ohne aggressive Untermalung entstehen so Soundteppiche, auf denen das politische Thema dezent bis plakativ bearbeitet werden kann. So singen Laibach auf Englisch, und auch die Liner-Notes weisen auf die Dominanz dieser Sprache hin, was laut Laibach an „den Beatles und den Rolling Stones liegt. Englisch ist so dominant, weil die Popkultur es auch ist. Und weil das Britische Empire das weitläufigste Reich der Weltgeschichte war.“ Pop erobert die ganze Welt, auf Englisch.

Die Sprache bleibt aber nicht das einzige Feld der kulturellen Beschäftigung für Laibach, denen insbesondere die Zugehörigkeit zu einer Nation zwiespältig vorkommt. Im Falle Amerikas gehen die Mitglieder soweit von einem Paradox zu sprechen: „Amerika ist eine ‚falsche‘ Nation, da sie rein zufällig aus heterogenen Elementen konstruiert wurde. Sie wurde durch den kleinsten gemeinsamen Nenner des Schmelztiegels der Migration erschaffen und basierte rein auf pragmatisch wirtschaftlichen Prämissen. Heute jedoch ist Amerika die einzige Nation in der Geschichte, die auf wundersame Weise direkt vom Barbarismus zur Degeneration übergegangen ist, ohne dabei den üblichen Umweg der Zivilisation einzuschlagen.“ Nur wenige Künstler wagen sich heute an eine derart intellektuell verpackte Aussage, doch Laibach waren schon immer unbequem und der Staat NSK gehört bestimmt nicht zu den mächtigsten Vertretern des Kulturimperialismus, auch wenn seine Hymne auf „Volk“ ebenso vertreten ist wie die deutsche.

Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 11/06.