Der siebenköpfige Mike

Wenn die Kreativität erstmal aus ihm heraussprudelt, dann ist er nicht mehr zu halten. Mike Patton stellt dieser Tage sein neuestes Projekt vor. Mit Peeping Tom begibt sich das Multitalent der schrägen Musik ins Genre der Beat-Tüftler und Rhythmus-Bastler.

Mike Patton’s musikalischer Output gleicht einer Hydra, diverse Köpfe repräsentieren die unterschiedlichen Genres, in denen er wildert: von Jazz über Tango bis zu Rock und Metal. Und kaum da ein Kopf abgeschlagen ist, wächst auch schon ein neuer nach. Letztes Jahr versuchte er sich mit General Patton vs. The Executioners bereits an HipHop-Beats – wenig erfolgreich und von der Kritik geschmäht blieb das Projekt eine einmalige Sache. Der Kopf war ab, doch mit Peeping Tom wächst ein neuer nach, der das Experiment „Mike und die Beats“ um eine neue Dimension erweitert. Da Mike nach eigener Aussage nicht gerade ein begnadeter Programmierer ist, hat er sich mit namhaften Kollegen zusammengetan und seine Songs kräftig aufpeppen lassen. So kann man auf dem Peeping Tom-Debüt unter anderem die Soundbasteleien von Dan the Automator, Kool Keith, Amon Tobin, Kid Koala und Massive Attack hören, und selbst die angesagte NuJazzerin Miss Norah Jones hat einen Track veredelt. Ein Meisterwerk der Kollaborationen, auf dem Patton eine Melange kreativer Musik mixt, die irgendwo zwischen HipHop, Pop und Electronica schwebt.

„Meistens hatte ich einen fertigen Song parat, der allerdings noch ein paar Schwachpunkte hatte. Entweder war mein Gesang zu wenig für das Stück, oder ich wollte noch eine weitere Stimme haben, aber in den meisten Fällen war es der Rhythmus. Darin bin ich schlecht. Ich mach das alles noch per Hand“, erklärt Mike seine Arbeitsweise und meint damit eine Art musikalisches Ein-Finger-Suchsystem für Beats. Doch zum Glück gibt es ja Profis, denen er dann seine Tracks zuschickte, die sie ergänzten und an ihn zurückschickten. Diese neuen Werke bearbeitete er dann noch einmal, und heraus kamen elf Stücke, die laut Mike „durch so viele Hände gingen, durch so viele Transformationen, dass er hart ist, herauszufinden, wer was getan hatte. War ich das? Oder war er das?î Die unterschiedlichen Einflüsse lassen zwar keine Kategorisierung im Sinne der Charts zu, doch Peeping Tom ist mehr Pop, als alles, was Mike sonst in den letzten Jahren gemacht hat. Auf jeden Fall steckt in den Stücken eine Menge Kreativität.

Und Kreativität für Mike das Wichtigste, denn er weiß um die fehlende Konformität seiner Werke. Mit dem von ihm gegründeten Label Ipecac Records versucht er, seinen Projekten eine Heimat zu schaffen, und schwimmt dabei gegen den Strom der Musikbranche an. „Es ist nicht so, dass ich den Kram der anderen nicht mag. Ich habe aber das Gefühl, dass mein Zeug da nicht reinpasst und es auch niemand haben will. Also habe ich mir meinen eigenen Kontext geschaffen.“ Klare Sache, experimentelle Jazz-Metal-Fusion im Stile von Fantômas passt eben nicht ins „American Idol“-Konzept. Und was hält ein Musiker wie Patton von diesen Casting-Shows? „Brüllend komisch. Zum Glück lebe ich nicht in deren Welt. Die sind wie ein McDonalds der Musik. Eine Art Fabrik, für Scheiße. Die Leute lieben nun mal Scheiße. Was soll man tun?“ sagt Mike und lacht.

Die Antwort auf diese Frage hat er selber gegeben. Er macht Musik, egal wieviele Leute diese hören wollen. Seine Projekte Tomahawk, Fantômas und Mr.Bungle wird er weiter mit Material versorgen und auch für Nachschub bei Peeping Tom ist schon gesorgt: „Ich habe mindestens Material für drei Alben. Ok, vielleicht auch nur zweieinhalb, oder zweidreiviertel.“ Und dann sind da ja auch noch die Gastauftritte bei Sepultura, Björk, John Zorn und so weiter. Mike ist vielbeschäftigt, seine Kreativität reicht eben nicht für einen Kopf aus. Da müssen es schon mindestens sieben sein, wie bei der Hydra.

Der Artikel ist erschienen im Piranha Magazin Ausgabe 06/06.