Lifestyle

Creme de la Creme

Wunderversorgung ist das A und O nach dem Tätowieren. In den ersten Tagen nach der Verletzung muss die Wunde mit Vorsicht behandelt werden und man sollte diese Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen.

„Wie fühlt sich das an?“ – Nicht das Tattoo zu tragen, sondern es anbringen zu lassen? Die Veränderung, die der Körper dabei erfährt ist für viele Menschen von großem Interesse. Doch die Antwort ist so unterschiedlich und subjektiv wie das Schmerzempfinden selbst. Wie ein starker Sonnenbrand vielleicht? Wie das aufgeschürfte Knie vom Bolzplatz?

Medizinisch jedenfalls ist die Frage geklärt, denn Tattoos sind dermatologisch gesehen Schürfwunden und als solche zu versorgen und behandeln. Wie Tätowierer Robert Gorlt im Interview erklärt, ist das Tattoo eine Verletzung. Der Körper ist entsprechend die erste Zeit nach dem Tätowieren damit beschäftigt, die Wunde (die ja meist großflächig, aber nicht besonders tief ist) zu schließen. Dieser Prozess dauert einige Stunden, dann hat sich eine Schorfschicht gebildet, die die Wunde vor Keimen schützt. Unter dieser Schicht heilt die Haut nun in 5-7 Tagen etwa ab, doch bevor sie vollständig gesundet vergehen locker 4-6 Wochen.

Entsprechend ist die Pflege der Wunde in mehreren Phasen zu sehen:

(1) Direkt nach dem Stechen wird der Tätowierer die Wunde eincremen und mit einer Folie versiegeln. Heutzutage verwenden Studios dafür spezielle Cremes und Folien, die anti-septisch sind und die nicht verrutschen können. Diese „Verpackung“ sollte man nun einige Stunden unberührt lassen, evtl. sogar damit eine Nacht schlafen. Am nächsten Tag die Folie entfernen und duschen. Dabei nur milde Seife verwenden, nicht zu lange die Wunde einweichen lassen und beim Abtrocknen nicht rubbeln, sondern tupfen.

(2) Ab dem nächsten Tag für ca. 5-7 Tage muss die Wunde möglichst gut mit Creme versorgt werden. Die Auswahl der Creme ist dabei vom persönlichen Geschmack abhängig, wichtig ist aber, dass die Wunde feucht gehalten wird und der Schorf nicht austrocknet. Dies bringt die Gefahr von Rissen mit sich, wodurch eine Infektion möglich wird. Also, mehrmals täglich die Wunde einreiben und immer schön geschmeidig halten. Wie Robert im Interview sagt: auf keinen Fall knibbeln und Anstrengungen vermeiden.

(3) In den nächsten 4 Wochen etwa regelmäßig (alle 1-2 Tage) die Haut gut eincremen. Hierfür reicht eine normale Bodylotion.

Wie man an dieser Beschreibung schon erkennen kann liegt die Verantwortung für eine gute Genesung also beim Tätowierten. Denn in der ersten Woche nach dem Stechen obliegt es jedem selbst, die Wunde fachgerecht zu versorgen. Austrocknung durch mangelnde Pflege oder Sonneneinfluss etwa können den Schorf aufbrechen lassen und so die Wunde wieder öffnen. Das erhöht das Risiko einer Infektion, kann aber auch ein Austreten von Farbe mit sich bringen. Selbiges gilt aber auch für ein zu starkes Aufweichen des Schorfs etwa durch langes Baden oder Saunieren.

Die richtige Creme ist also entscheidend. Die Auswahl ist aber sehr subjektiv, gibt es doch unterschiedliche Kriterien, die wir im nachfolgenden Test versucht haben, zu erfassen. Zum einen ist da natürlich die Frage nach der Heilwirkung: jede Creme, die die Wunde feucht und geschmeidig hält ist dabei geeignet, doch gibt es einige Wirkstoffe, die darüber hinaus in den Heilungsprozess eingreifen. Am häufigsten wird Dexpanthenol genutzt, wie es in 5%iger Konzentration etwa in Bepanthen (günstigere Alternativen u.a. von Ratiopharm sind möglich) zu finden ist. Andere Cremes wie die Pegasus Tattoo Creme oder Heile Heile verwenden geringere Dosen. Wirkstoffe wie Ringelblumen spenden und halten Feuchtigkeit und sind daher ebenfalls ideal geeignet. Antiseptische Wirkstoffe hingegen, die also Entzündungen behandeln sollen, sind problematisch für die normale Wundheilung. Entzündungen vorzubeugen ist nämlich nicht möglich und eine Hinzugabe von Cajeputöl (wie bei der Pegasus Creme) oder anderen Wirkstoffen (z.B. in Bepanthen Antiseptischer Wundsalbe) ist überflüssig, kann sogar die Haut reizen und so Probleme verursachen. Die Anwendung dieser Salben wäre nur dann ratsam, wenn eine Entzündung wirklich auftritt. Ein Problem, das man vorher kaum abschätzen kann ist die Frage nach allergischen Reaktionen. Gerade Cremes mit vielen unterschiedlichen Stoffen (wie H20), ätherischen Ölen (wie Pegasus) oder Duftstoffen (wie das getestete Melkfett) können Allergene enthalten. Hier sollte man sofort die Behandlung absetzen, wenn sich Reaktionen zeigen.

Zweites Kriterium des Creme-Tests ist die Anwendung, bei der praktische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Cremes auf Fettbasis etwa (wie Melkfett, Bepanthen oder Heile Heile) ziehen schlechter in die Haut ein und hinterlassen eine Schicht, die die Haut abschirmt. Bei Melkfett wirkt diese Schicht versiegelnd und unangenehm, während die anderen beiden Cremes durchaus angenehmen Schutz bieten. Der große Vorteil ist, dass Fettcremes länger halten und so weniger Nachcremen notwendig ist. Nachteil daran ist aber, dass diese Cremes Flecken in der Kleidung hinterlassen – pflegeleichte Wäsche ist hier also wichtig. Auf Glycerinbasis sind Cremes sehr angenehm zu nutzen, das sie schnell einziehen und kaum kleben oder Rückstände hinterlassen. Nachteil hier ist aber, dass sie deutlich häufiger aufgetragen werden müssen, sonst lässt die Wirkung nach. Auch der Duft und die Konsistenz spielen eine Rolle. Bepanthen etwa riecht nach Medizin und ist sehr fest, muss also mit Druck aufgetragen werden, während das Protolind-Gel so leichtgängig ist und schnell verfliegt, dass man kaum etwas merkt. Ringelblumensalbe oder die nach Teebaum-Öl riechende Pegasus Creme sind hingegen super aufzutragen und wohlduftend.

Letztes, aber nicht unerhebliches Kriterium, ist das liebe Geld, denn zwischen 1,59 Euro und 9,99 Euro war beim Test alles dabei – und das für sehr unterschiedliche Größenordnungen. Der riesige Topf Melkfett ist unschlagbar für den kleinen Geldbeutel, während die meisten Cremes im Mittelfeld rangieren und bei in etwa 5 Euro für eine kleine Packungsgröße liegen. Die speziell für Tätowierungen gemischten Cremes (Pegasus, Heile Heile und H20) sind im Vergleich für eine ähnliche Menge etwas teuer. Eine echte Frechheit liefert aber das Prontolind-Gel, das in einer winzige Menge einen unverschämten Preis hat. Für eine Oberarmtätowierung etwa würde man hier in einer Woche ohne weiteres 100 Euro ausgeben können.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die meisten Cremes gut funktionieren und es letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Sowohl Dexpanthenol- als auch Ringelblumensalben sind günstig und sehr gut in der Anwendung. Spezielle Tattoo-Cremes bieten zusätzliche Anreize (wie etwa „kein Nachfetten“ oder spezielle natürlich Öle), wirken aber auch nicht besser oder schlechter. Einzig der Preis macht hier noch einen Unterschied. Und bei kleineren Tätowierungen ist das dann auch noch egal. Und die Coolness, sich eine Tattoo Aftercare Creme in schick-schwarzer Verpackung statt Muttis Melkfett aus dem Bottich auf den Arm zu reiben, ist es vielleicht wert.

 

 

Experten-Tipp von Robert Gorlt

(Inhaber von Tattoo Nouveau, Gärtnerstraße 86, 20353 Hamburg – www.tattoo-nouveau.de)

Worauf muss ich nach dem Tätowieren achten?

Robert: Ein Tattoo ist im Grunde eine Schürfwunde auf der Oberfläche der Haut. Man sollte dies nicht bagatellisieren und die Wunde entsprechend versorgen.

Wie lange dauert die Abheilung?

Robert: Die Wunde schließt sich innerhalb von 6-8 Stunden zumindest oberflächlich. Die eigentliche Wundheilung dauert etwa 5-7 Tage, aber erst nach circa 4 Wochen ist die Haut wieder voll ausgeheilt.

Was kann es für Komplikationen geben?

Robert: Am wichtigsten ist es, dass die Wunde sauber bleibt und keine Entzündung entsteht. Die Haut verschließt sich zwar schnell durch Schorfbildung, aber der Schorf kann reißen und so die Wunde wieder öffnen. Kommen dann Bakterien in die Wunde kann sich diese entzünden.

Was muss man tun, um die Heilung zu befördern?

Robert: Ich empfehle, die Folie nach dem Tätowieren einige Stunden drauf zu lassen, bis die Haut sich schließen konnte. Gerne auch über Nacht. Ab dem nächsten Tag reicht es dann, die Wunde mit einer Creme einzureiben. Ideal ist da etwas mit Dexpanthenol, das hilft der Haut bei der Heilung. Mehrfach täglich einreiben, damit die Haut feucht bleibt und der Schorf nicht reißt.

Was sollte man vermeiden?

Robert: Auf keinen Fall sollte man am Schorf knibbeln, ihn also abreißen. Dann blutet die Wunde wieder und kann sich entzünden. Deswegen sollte man auch alle Arten von Anstrengungen für die Haut vermeiden: kein Sport, nicht Schwimmen oder Baden gehen, keine Sauna, keine Sonne. Man sollte halt immer bedenken, dass es eine Wunde ist.

 

TEST – CREMES

Die richtige Creme für die Tattoo-Pflege zu finden ist fast schon so etwas wie eine Glaubensfrage: Ringelblume, Dexpanthenol oder doch die gute alte Nivea-Creme? Jeder Tätowierer und jeder Tätowierte schwört auf seine eigene persönliche Erfolgsformel. TATTOO BILD testet die beliebtesten Cremes.

 

Balea Melkfett Ringelblume

***       Preis: 1,59 Euro (250 ml), Drogerie

**         Heilung:  + verhindert Austrocknung / – keine Heilwirkung

*          Anwendung: + gut zu verteilen / – sehr fettig / – zieht nicht ein / – Auf Zusatzstoffe (Duft, Farbe, Konservierung) achten, wegen Allergien / – klebriger Rückstand, schwer abzuwaschen

Der Experte: „Funktioniert und ist günstig. Auf Zusatzstoffe achten.“

 

Kneipp Ringelblumen Hautschutzsalbe

**         Preis: 4,95 Euro (75 ml), Apotheke

**         Heilung: + verhindert Austrocknung / + beruhigt die Haut / – keine Heilwirkung

***       Anwendung: + reicht angenehm / + sehr gut zu verteilen / + zieht schnell ein / + keine Rückstände

Der Experte: „Hilft bei trockener Haut, funktioniert also gut für Tattoos.“

 

Bepanthen Wund- und Heilsalbe

**         Preis: 4,80 Euro (20 g), Apotheke

***       Heilung: + hilft bei Zellneubildung / + unterstützt Feuchtigkeitsbildung / + heilt die Haut

**         Anwendung: + sehr ergiebig / + zieht gut ein / – fettig, bildet Rückstände / – sehr fest, muss aufgewärmt werden / – riecht medizinisch

Der Experte: „Super geeignet, hilft bei der Wundheilung.“

 

Bepanthen Antiseptische Wundsalbe

**         Preis: 5,40 Euro (20 g), Apotheke

*          Heilung:  + Dexpanthenol heilt die Haut / – antiseptisch ist nicht nötig, reizt gesunde Haut eher / – Vorbeugung gegen Entzündungen ist nicht möglich

**         Anwendung: siehe Bepanthen Wund- und Heilsalbe

Der Experte: „Zu viel. Das ist wie mit Kanonen auf Spatzen schießen.“

 

Tattoo-Creme Pegasus Pro

**         Preis: 3,60 Euro (25 ml), Apotheke

***       Heilung: + Dexpanthenol heilt die Haut / + zusätzlich Teebaumöl und Weizenkeimöl, um die Haut geschmeidiger zu machen / + bessere Feuchtigkeit / – Öle können Allergene sein / – antiseptische Wirkung zu viel

***       Anwendung: +  gut zu verteilen / + riecht angenehm nach ätherischen Ölen / + zieht gut ein   / – Cajeputöl wirkt antiseptisch, was unnötig ist

Der Experte: „Funktioniert ähnlich wie Bepanthen. Achtung bei Allergien.“

 

Protolind Piercing & Tattoo Gel

*          Preis: 6,95 Euro (10 ml), Apotheke

*          Heilung: + Glycerin als Feuchtigkeitsspeicher / – Antiseptisches Mittel ist nicht nötig, reizt eher

*          Anwendung: + zieht sehr schnell ein / + keine Rückstände / – Verpackung ist schlecht zu öffnen / – hoher Verbrauch

Der Experte: „Kenn ich nicht, keine Erfahrung mit.“

 

H2Ocean Tattoo Aftercare

**         Preis: 9,99 Euro (74 ml), www.wildcat-shop.de

**         Heilung: + Glycerin für Feuchtigkeit / + diverse natürliche Öle helfen bei Heilung / – viele Stoffe erhöhen das Allergen-Risiko

***       Anwendung: + zieht sehr gut ein / + sehr gut zu verteilen / + kühlt leicht / + keine Rückstände

Der Experte: „Ja, und? Was soll das?“

 

Heile Heile Tattoo Aftercare

*          Preis: 3,99 Euro (15 ml), www.wildcat-shop.de

***       Heilung: + Panthenol heilt die Haut / + Urea hält die Feuchtigkeit

**         Anwendung: + zieht gut ein / + lässt sich gut verteilen / – Pumpspender ist unnötig / – schäumt leicht auf / – leichte, fettig Rückstände

Der Experte: „Überteuert und auch nicht besser.“

 

Die Salbe „davor“

Emla Creme (7,62 Euro, 5ml, Apotheke)

Der Schmerz gehört zur Tätowierung dazu. Doch auch der härteste Kerl hat Körperstellen, an denen es stärker schmerzt, sich tätowieren zu lassen, als an anderen. Insbesondere Gelenke wie Knie oder Knöchel, aber auch Weichstellen wie im Bereich der Achsel oder über den Nieren können besonders empfindlich sein. Und genau hier hilft die kleine Wundersalbe von Emla, die als lokales Anästhetikum (Wirkstoff: Lidocain) die Schmerzrezeptoren ausstellt. Einreiben, einwirken lassen und schon sind die kniffeligen Stellen nicht mehr ganz so empfindlich. Aber Achtung: die Salbe kostet recht viel Geld und sie ist nur für eine relativ kurze Zeit wirksam (max. 30-40 min), d.h. für große Flächen ist sie denkbar ungeeignet.

 

In editierter Form erschienen in Perfect Ink #1/2013