Tattoo Rechtsberatung
Darf ein 16-Jähriger sich tätowieren lassen? Was ist mit der volltrunkenen Wette? Und was kann ich tun, wenn das Tattoo so gar nicht aussieht, wie es sollte? Diese und weitere Rechtsfragen brauchen eine klare Regelung, doch nur wenige kennen sich hier aus. PERFECT INK hat sich in den Paragraphen-Dschungel gewagt und einige der wichtigsten juristischen Fragen in Sachen Tätowierung zusammen getragen.
Was ist die rechtliche Grundlage einer Tätowierung?
Juristisch gesehen kommt zwischen Tätowierer und Kunden ein sogenannter Werkvertrag zustande. Der Kunde beauftragt den Tätowierer mit der ordentlichen Aufbringung eines Kunstwerkes auf dem Körper des Kunden. Weil es sich hierbei um eine Verletzung handelt, muss eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden vorliegen. Als Gegenleistung wird ein Geldbetrag vereinbart, und der Vertrag gilt dann als abgeschlossen, wenn der Kunde das Werk „abgenommen“ hat – was üblicherweise durch Anschauen und Bezahlen des vereinbarten Betrages geschieht.
Wofür hafte ich als Kunde?
Durch meine „körperliche Hinnahme“ erkläre ich mich mit der Tätowierung einverstanden. Wenn man mich festbinden müsste, wäre der Vertrag also hinfällig. Wichtig: ich erkläre mich mit dem Motiv einverstanden, in dem Moment da dieses per Schablone oder Vorzeichnung angebracht wird. Mängel am Motiv sollten also bereits zu diesem Zeitpunkt vorgebracht werden. Letztlich bin ich danach nur noch zur Abnahme und Bezahlung verpflichtet, so bald die Arbeit beendet ist.
Wofür haftet der Tätowierer?
Wie unsere Rechtsexpertin (s. Kasten) erklärt, ist der Tätowierer zur sachgemäßen Anbringung der Tätowierung verpflichtet. Über das Motiv einigen sich Kunde und Tätowierer im Vorfelde. Sollte die Arbeit nicht sofort zur Zufriedenheit funktioniert haben, bieten Tätowierer im Normalfalle kostenlos eine Nachbearbeitung (Auffrischung verblasster Farbstellen, Nachzeichnen von Linien etc.) einige Wochen nach der Abheilung der Wunde an.
Was ist, wenn ich dem Tätowierer nach misslungener Arbeit nicht mehr vertraue?
Sollte der ursprüngliche Tätowierer seine Arbeit nicht selber nachbessern können oder sollte der Kunde dies für unzumutbar halten, weil etwa das Vertrauen in die Fähigkeiten des Tätowierers erschüttert ist, dann kann ein anderer Tätowierer beauftragt werden. Die Kosten hierfür müsste der ursprüngliche Tätowierer tragen, aber dafür muss unsachgemäße Arbeit nachgewiesen werden.
Was ist wenn das Tattoo sich entzündet oder vernarbt?
Auch bei Tätowierungen, die sachgemäß und nach den Regeln der Kunst angebracht sind, kann es bei der Abheilung zu Entzündungen kommen. Dies liegt nicht im Verantwortungsbereich des Tätowierers. Sollte die Arbeit aber tatsächlich unsachgemäß gewesen oder der Kunde gar verletzt worden sein, dann besteht die Möglichkeit zur Klage. Hierbei sei jedoch gewarnt, dass ein teures Experten-Gutachten erstellt werden muss, um die unsachgemäße Arbeit nachzuweisen.
Und wenn mir das Motiv nun einfach nicht gefällt?
So ärgerlich das auch ist, hätte hier im Vorwege protestiert werden müssen. Wie oben beschrieben entsteht die Einverständniserklärung schon in dem Moment, da die Schablone aufgebracht wird. Wer hier „ja“ sagt, kann nicht später „nein“ sagen. Ist das Motiv nicht gelungen, etwa durch schiefe Linien etc. muss der Tätowierer eine Chance zur Nachbesserung erhalten. Stilfragen sind jedoch problematisch: Am besten man schaut sich die Arbeit des Tätowierers vorher an (z.B. mit einer Arbeitsmappe) und vergewissert sich, dass der Stil des Künstlers einem zusagt. Ein Rechtstreit über künstlerische Arbeit und Geschmack ist nicht zu empfehlen.
Darf ich mir berühmte Motive, wie etwa Kunstwerke stechen lassen?
Generell gilt, dass Kopien urheberrechtlich geschützter Motive zum privaten Gebrauch angefertigt werden dürfen. Da diese dann auch noch durch einen Tätowierer „neu interpretiert“ werden, sollte hier keine Urheberrechtsverletzung stattgefunden haben. Achtung: Privater Gebrauch wäre nicht unbedingt mehr gegeben, sollte man versuchen, mit dem Motiv Geld zu verdienen.
Kann ich mir ein Logo oder einen Markennamen tätowieren lassen?
Die Frage ist kompliziert. Die einfache Antwort: Ja, denn wer sollte hier geschädigt werden und tatsächlich klagen? Die komplexe Antwort: Grundsätzlich sind Logos und Markennamen nicht urheberrechtlich geschützt sondern zumeist markenrechtlich. Das bedeutet, dass man damit keine Werbung machen und keinen Verdienst haben darf. Aber man wird wohl kaum ein tätowiertes Logo als Kennzeichnung einer Ware ansehen, so dass auch hier nur in Extremfällen mit einer Klage zu rechnen wäre.
Was passiert im Falle meiner eigenen Unzurechnungsfähigkeit?
Jede Tätowierung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Der Tätowierer benötigt daher eine Einwilligung, die nur dann wirksam ist, wenn der Unterzeichnende zum Erklärungszeitpunkt die für die Reichweite der Erklärung notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit besessen hat. Wer sich tätowieren lassen will, muss also bei klarem Verstand sein – Alkohol- oder Drogeneinfluss verhindern dies und der Tätowierer sollte die Arbeit ablehnen. Ignoriert er den Zustand des Kunden, riskiert er sich haftbar und evtl. sogar strafbar zu machen.
Darf man sich auch als Minderjähriger tätowieren lassen?
Generell ja, aber das Problem besteht darin, dass ein Werkvertrag nur zustande kommt, wenn beide Parteien geschäftsfähig sind. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren benötigen also die Einwilligung der Eltern, um in einen solchen Vertrag einzutreten. Tätowierer verlangen daher meist zur Sicherheit eine persönliche Erklärung der Eltern, die schriftlich vor Ort festgehalten wird. Dann ist auch das Tattoo mit 16 kein Problem.
Experten-Tipp
Rechtsanwältin Alexandra Edle von Schiefner, Rechtsanwälte Hamburg-Ost
Haftung des Tätowierers
„Tätowierungen werden nach Beendigung der Sitzung durch den Kunden abgenommen, dies erfolgt üblicherweise durch Anschauen. Mängel an der Tätowierung sind in diesem Moment bereits anzubringen, und die Gewährleistungsrechte müssen ausdrücklich vorbehalten werden. Der Tätowierer haftet nur für ‚unsachgemäße Ausführung‘ der Arbeit, entsprechend der ‚Regeln der Tätowierkunst‘, die in erster Linie in der Tätowiermittelverordnung vom 01. Mai 2009 festgehalten wurden. Wird eine unsachgemäße Ausführung durch einen Sachverständigen mittels Gutachtens festgestellt, ist der Tätowierer haftbar. Im Extremfall kann dies eine Rückerstattung des Preises, die Übernahme der Entfernungskosten und möglicherweise sogar ein Schmerzensgeld beinhalten.“
Probleme mit dem Tattoo? Wo hole ich mir Rat?
Entzündung der Wunde: In den ersten paar Tagen noch kein Problem. Eine leichte Entzündung (Rötung, leichte Schwellung) kann vorkommen und wir meist durch Anti-Septische Cremes aus der Apotheke behandelt. Sollte die Entzündung aber nach 5 Tagen noch da sein, stärker werden, schmerzen oder sich ausbreiten, dann dringend zum Hautarzt.
Narben: Ist die Tätowierung stark vernarbt? Heilt die Haut nicht ordnungsgemäß ab, dann dringend dokumentieren und zum Hautarzt gehen, denn hier könnte unsachgemäß gearbeitet worden sein – z.B. durch zu tiefes stechen. Alternativ auch gerne einen anderen Tätowierer aufsuchen und Experten-Rat holen. Dann unter Umständen einen Rechtsanwalt konsultieren.
Flecken in der Tätowierung, Auswaschen der Farbe: Kann vorkommen und üblicherweise bieten Tätowierer einen Nachstech-Termin an, bei dem solchen Ungleichmäßigkeiten ausgearbeitet werden. Dieser Termin sollte kostenlos für den Kunden sein, da die Arbeit noch nicht ordnungsgemäß beendet ist.
Allergie: Kommt es beim Stechen oder aber bei der Wundheilung zu allergischen Reaktionen (Jucken, Rötung, starke Schwellung), dann dringend einen Hautarzt / Allergologen konsultieren und den Auslöser feststellen lassen. So kann man auf andere Farben oder andere Cremes umschwenken und die Allergie zumeist umgehen.
In editierter Form erschienen in Perfect Ink #1.2013