Musik-Features

Vom Kunstprojekt zur Indie-Popband

Als Kind von Hippie-Eltern hatte Mikel Jollett wohl schon immer eine etwas eigene Sicht auf die Welt. So kam er auch nur über Umwege dazu Musiker zu werden, und wenn er heute schreibt, dann muss er sich vom Erfolg der Band in den USA zurück ziehen.

„Als ich die Band gründete, wollte ich eigentlich Autor werden, aber irgendwie brachte ich in einem Jahr gerade einmal 10.000 Worte zu Papier. In der gleichen Zeit hatte ich aber knapp 100 Songs geschrieben – da ergab der Wechsel irgendwie Sinn“, berichtet Jollett von der Zeit vor dem 2008er Debüt. Außerdem verfolgte er damals wie heute mehr ein romantisch-verklärtes Bild sowohl eines Autoren wie auch eines Rockmusikers. „Ich hatte diese seltsame Vorstellung, dass die Erfahrung schon die Geschichten mit sich bringen würde. Ich soff, hurte rum und flog um die Welt, um mich auszutoben. Nur das mit dem Aufschreiben der Geschichten wollte dann nicht so recht werden. Aber auch als Musiker war ich mir der verdrehten Sicht auf die Realität bewußt. Ich habe die Band nach einem Zitat von Don DeLillo benannt, um dem Charakter der Band – wie ich sie damals verstand – einen intellektuellen postmodernen Anstrich zu verleihen und weil ich das Buch so genial fand.“ Doch aus dem intellektuellen Spiel mit Rollen und Erwartungen, ganz im Sinne von Andy Warhol und Punk, wurde mehr als das ursprünglich antizipierte „Kunstprojekt, das so tat als sei es eine Popband, die ein Kunstprojekt nachspielt“, wie Jollett die Band in ihrer Frühphase beschreibt. „Wir waren völlig überrascht, dass die Leute unsere Songs toll fanden und wir plötzlich vor ausverkauften Konzerthallen spielten.“

Mit dem neuen Album, dem dritten in der Karriere der Band, kehren The Airborne Toxic Event nun aber endgültig dem Spiel mit Kunst, Simulacren und postmodernen Referenzen den Rücken und besinnen sich auf großartige, handgemachte Rockmusik mit Indie-Einschlag. Die zwölf Songs sind mal einfühlsam poppig, mal bombastisch rockend, mal verspielt alternativ – eingängig produziert von Jacquire King, der schon für den Erfolg von Kings of Leon oder Of Monsters and Men verantwortlich zeichnet. The Airborne Toxic Event erinnern ein wenig an beide Bands: Indie-Einfluss trifft auf großen Rock und vermischt sich zu einem ganz wundervollen, unaufdringlichen Sound, der durch hymnische Momente besticht. „Das Songschreiben ist unbewusster geworden, mehr ins Blut übergegangen und ich versuche nicht mehr jemanden mit Inhalten zu beeindrucken. Ich muss mich zwar aus dem Rummel zurück ziehen, um ein paar Wochen einen klaren Kopf zu bekommen, aber dann schreibe ich über alles, was mir in den Sinn kommt. Es gibt keine Limits, keine Zielsetzungen – einfach nur das Schreiben der Songs“, sagt Jollett und zieht dann doch noch einmal den Rückschluss zur verpassten Karriere: „Aber das Narrative, das Geschichten erzählen, das ist immer noch ein Teil des Prozesses. Daher stammt oftmals die Struktur meiner Songs.“

The Airborne Toxic Event – „Such Hot Blood“

Ursprünglich erschienen im Piranha 09/2013