Die Sprache Irlands
Obwohl Rea Garvey in Irland geboren ist, hat er die Musik seiner Heimat lange Zeit nicht in sein eigenes Schaffen aufgenommen, aus Angst vor Stereotypen und der eigenwilligen Natur des Irish Folk.
Rea Garvey stammt aus Tralee, einer Stadt im County Kerry im westlichen Irland und Irish Folk liegt im quasi im Blut: „Ich habe schon mit 13 in einem Pub gearbeitet und dort haben jeden Abend Folk-Musiker gespielt. Immer wenn der Pub schloss, haben die Musiker sich auf ein Bier zusammen gesetzt und es begann dieser großartige Moment, in dem Sie zusammen gesungen haben, Ideen ausgetauscht haben und ohne Publikum ihrer Liebe nachgingen. Ich hatte damals schon eine Liebe zur Musik, nur fehlte mir die Fähigkeit mitzumachen. Aber damals habe ich realisiert, dass Irish Folk eine ganz besondere Form der Musik ist. Sie fordert keine musikalische Kompetenz von dir, vielmehr ist sie eine Sprache, die du verstehen lernen musst.“
Als Garvey mit 25 nach Deutschland kam, um als Musiker Karriere zu machen, da wusste er aber auch, dass diese Sprache eine sehr dominante Ader hat und Musiker oftmals wegen ihrer Herkunft in Stereotype einsortiert werden: „Sagt jemand zu dir, du klängst ‚amerikanisch‘, dann kann das alles sein: Country, Rock, Pop. Aber sagt jemand, du klängst ‚irisch‘, dann ist es eigentlich immer eine bestimmte Form von Musik – Folk.“ Und so entschied sich der irische Musiker dazu, alle nationalen Bezüge aus seinem Schaffen herauszulassen.
Nach fünf Alben mit seiner Rockband Reamon und dem großen Erfolg seines ersten Solo-Albums „Can’t Stand the Silence“ ist nun aber für Garvey der Zeitpunkt gekommen, sich endlich auch in der Sprache seiner Jugend zu präsentieren. „Dieses Album zu schreiben war ein schmerzhafter Prozess, es hat mich fast zerstört. Ich habe so viel geschrieben und dann später befunden, dass es nichts taugt. Erst als ich anfing, sehr persönliche Geschichten zu schreiben, und eben auch Songs über meine Zeit in Irland, da kam auf einmal alles zusammen, wie ein großes Puzzle. Manchmal passt es halt einfach und so integrierte sich das Irische ganz natürlich in den Rest des Materials. Die Songs sprechen mir aus dem Herzen, sie zeigen die wichtigen Momente im meinem Leben, nicht die großen, die wichtigen. Und darunter fällt eben auch meine Zeit in Irland, die ich jetzt auch musikalisch in meine Songs aufnehmen kann.“
Und so klingt „Pride“ denn auch nicht nach einem Best-Of der irischen Folk-Musik, sondern nutzt geschickt kleine Gesten, Instrumentierungen (wie etwa das Banjo) und eben lyrische Anekdoten, um eine Musik zu generieren, die klar im großen internationalen Rock verankert bleibt und doch wichtige irische Moment aufweist. „Pride“ – also Stolz – zeigt Garvey am Höhepunkt seines Erfolges. Stolz ist er aber nicht auf sich und seinen bisherigen Erfolg, sondern vor allem darauf, dass er dieses Album fertigstellen konnte und was daraus geworden ist.
Rea Garvey – „Pride“
Ursprünglich erschienen im Piranha 05/2014