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Intimität mit dem Kontrabass

Die Dinge zu verändern und einen Neuanfang zu wagen, das kann Risiken in sich bergen. Das hat die Ulita Knauss mit ihrem 2010er Album „Tambor“ deutlich zu spüren bekommen. Auf dem neuen Album verarbeitet sie die Erfahrung von damals.

„Ich hatte mich damals festgefahren und habe eine große Unzufriedenheit in mir verspürt. Ich wollte was verändern und etwas Neues machen. Ich hatte eine sehr große Sehnsucht nach Leichtigkeit – anders kann ich es nicht beschreiben – und dieses Gefühl habe ich auf ‚Tambor‘ ausgedrückt. Aber leider ist das zum Teil falsch aufgefasst worden“, sagt Knaus über die Zeit des letzten Albums. Der Vorwurf, sich vom Jazz abgewendet zu haben, vor allem aber der Fokus auf die deutschen Texte, wurden für sie zum Problem: „Sobald man auf Deutsch schreibt, dreht sich alles gleich um die Texte – dabei vergisst man schnell, dass es auch um die Musik geht. Ich wollte an einer Stelle in meinem Leben etwas verändern und habe dabei gleich ganz viel anderes mit gezogen. Das war überraschend und nicht abzusehen. Es wurde nicht besser, es wurde schlimmer dadurch.“

Das neue Album „The Moon on my Doorstep“ repräsentiert diesen Moment im Schaffen der Jazz-Sängerin, an dem vieles kaputt gegangen zu sein schien. Aber es ist auch repräsentativ für diesen Augenblick in dunkelster Nacht, bei dem der Anblick des Mondes einen leitet und Hoffnung gibt: „Als ich das Album schrieb, da war innerlich Herbst in mir. Der Mond hat eine große Bedeutung für mich, er ist das Licht im Dunkel und repräsentiert diesen Moment, ab da an es besser wird. Das ist für mich die zentrale Bedeutung des Titels – das ist ein Licht, aber ich stehe noch im Dunkel.“

Musikalisch hat Knaus diesen Moment genutzt, für ein eindrucksvoll ruhiges, aufgeräumtes Album. Mit nur wenigen Instrumenten hat sich die Hamburgerin den Raum selbst eingeräumt, der ihr zuvor gefehlt hatte. Piano, Gitarre, Kontrabass und dezente Percussion – aber meist nur ein oder zwei Instrumente zur Zeit. „Ich habe mich getraut, mir den Raum zu nehmen, um mich zu entfalten. Die kleinere Besetzung war dabei wichtig. Ich wage Duette auf dem Album, mal mit dem Kontrabass, dann wieder mit der Marimba. Zwei Stimmen, gemeinsam.“ Vielleicht ist das Album gerade deswegen so vielseitig, weil es so reduziert ist. Dank der Instrumentierung achtet man auf die Varianz der Stimme und entdeckt die tiefe Emotion, die Auseindersetzung mit dem Moment im Leben der Künstlerin. Die „Duette“, wie Knaus sagt, sind dabei wie Partnerschaften, wenn beide eine Verbindung eingehen und das gleiche wollen – die selbe Melodie verfolgen, den gemeinsamen Song finden. Der Prozess des Schreibens hat ihr Selbstvertrauen gegeben, den man dem Album anhört – und er hat es ihr ermöglicht, die Erfahrungen zu verarbeiten: „Beim Schreiben habe ich gemerkt, wie es bergauf ging und ich langsam einen besseren Weg gefunden habe. Die Songs haben mir geholfen und plötzlich lief alles wieder rund. Auf allen Ebenen, nicht nur musikalisch. Das ist schon erstaunlich.“

Ulita Knaus – „The Moon on my Doorstep“

Ursprünglich erschienen im Piranha 05/2014