Auf ins Abenteuer
Als sie vor zehn Jahren anfingen zu musizieren, dann konnten sich Current Swell nicht vorstellen, ihr Leben als Musiker zu verbringen. Mittlerweile aber veröffentlichen die Kanadier schon ihr fünftes Album.
„Wir kennen uns aus der Schulzeit, aus St. Albert in der Nähe von Edmonton und uns hat damals vor allem der unbändige Wunsch angetrieben, endlich aus Alberta abzuhauen,“ sagt Scott Stanton, einer der beiden Köpfe der Band. „Wir hatten beide den selben Impuls,“ ergänzt Dave Lang, sein langjähriger Kooperationspartner, „uns trieb die Sehnsucht nach dem Meer und so sind wir beide in Victoria gelandet. Unabhängig von einander. Wir wollten beide surfen und Musik machen. Das war Schicksal als wir uns dann hier über den Weg liefen.“ Das Surfen war dann auch der Grund für Ihre erste gemeinsame Tour, die sie durch Australien und den Südpazifik führte: „Wir hatten kein Geld, wollten aber unbedingt dorthin und surfen. Da haben wir die Gitarren gepackt und angefangen in irgendwelchen Bars in Australien zu spielen. Das war der beste Job, um die Reise zu finanzieren.“
Aus der Surf-Finanzierung durch rockig-folkige Indiesongs wurde schnell eine Leidenschaft, die sie nun schon seit 10 Jahren verbindet und die zu einem so großen Teil Ihres Lebens geworden ist, dass das Surfen häufiger mal zu Kurz kommt. „Wir sind viel auf Tour, erleben jede Menge. Es ist wie früher, uns treibt auch heute noch diese Sehnsucht nach dem Abenteuer an. Wir wollen weg von den Zwängen und Konventionen zu Hause. Darin liegt auch die Verbindung zu Tennyson und seinem Gedicht,“ sagt Lang. „Ulysses“ – so der Titel des neuen Albums – ist nach eben diesem Gedicht benannt. Tennyson beschreibt darin die Enge des heimischen Herdes und die Sehnsucht des alternden Seefahrers Odysseus nach den vergangenen Abenteuern.
Ganz so einseitig ist es für Current Swell mit dem Fernweh aber nicht. Die Odyssey selbst ist für die beiden Songwriter – die offen zugeben ihren Homer nie gelesen zu haben – eher ein Sinnbild für die Reise. Entsprechend liegt Ihre Inspiration im auf und ab des Tourens: „Unterwegs zu sein ist Himmel und Hölle zugleich,“ meint Stanton, „zum einen lernst du die ganze Welt kennen, aber andererseits bist du weit weg von den Menschen, die du am meisten liebst.“ Odysseus kannte beides nur zu gut. Und auch die Musiker haben Ihren Heimathafen schätzen gelernt, genießen die Heimkehr nach Victoria: „Das ist für uns wie Urlaub. Und je älter und erfolgreicher wir werden, desto mehr freuen wir uns auch, nicht mehr auf dem Sofa schlafen zu müssen oder die Zeit im Bus zu verbringen.“ Der Erfolg der Platte jedenfalls verheißt viel Gutes für beiden, aber eben auch viele weitere Reisen.
Current Swell – „Ulysses“
Ursprünglich erschienen im Piranha 06/2014