Härter, Schneller, Lauter
Eine Bühne, ein langer Tisch, an dem drei Gestalten sitzen und die vor ihnen auftretenden Künstler in Möchtegerns und Talente aufteilen. Markige Sprüche werden verteilt, Tränen fließen … in neuem Video von Lord of the Lost wird Casting einmal anders gezeigt.
Doch statt talentfreier Sänger castet die Band für ihre neue Single „La Bomba“ ein paar Freaks mit viel Provokationspotential – der Song selbst ist dabei für den Gothic-Bereich ein fröhlich-brutales Stück Persiflage. Zwar donnern noch Gitarrenwände, doch der Salsa-Rhythmus und die klimpernden Keyboards wirken in der Szene schon wie ein sonnig-brasilianischer Stinkefinger gegen alle Klischees. „La Bomba ist für Lord of the Lost sicher ein Ausnahmesong. Aber er bleibt der Band auch treu“, meint Chris „The Lord“ Harms, der Kopf der Band. „Wir haben schon immer gerne experimentiert und hatten einfach Bock mal einen solchen Song zu schreiben. Ich liebe die Energie und Rhythmus der Songs von Seeed und Peter Fox. Aber mit der Instrumentierung kam ich nicht klar, zu viele Bläser, zu wenig Gitarren – deswegen habe ich versucht, das mal in ein Lord-Gewand zu stecken.“ So viel Spaß könnte als ketzerisch ausgelegt werden, und entsprechend ist der Song polarisierend. „Die Leute hassen ihn, oder sie lieben ihn. Aber ehrlich: wir haben statt der üblichen 10.000 Clicks auf Youtube innerhalb weniger Wochen mehr als 50.000 Clicks bekommen, weil die Leute über den Song diskutieren.“ Auffallen ist halt doch – ganz wie in den Castingshows – ein Faktor, der zum Erfolg führen kann. „Wir fanden aber auch, die Szene könnte mal ein wenig Abwechslung gebrauchen. Es ist ja auch ganz gesund, sich mal mit neuen Dingen zu beschäftigen“, meint Class Grenayde, der Bassist der Band: „Unser großer Vorteil ist, dass man von uns schon fast erwartet, dass wir uns nicht an die Regeln halten. Wir haben von Anfang an nicht den geraden Weg genommen.“
Die Single bleibt aber eine Ausnahme auf dem Album, der Rest der insgesamt 13 Songs ist dem Genre treu. Eine Tendenz zum großen Auftritt bleibt aber dennoch vorhanden, vereinen die Songs doch mächtige Riff-Attacken mit teils sogar süßlich-poppig wirkenden Melodien. Auch hier ist der Band anzumerken, wie sehr die Extreme reizen. „Wir sind ins Studio gegangen und hatten einen Heidenspaß bei den Aufnahmen“, meint Harms und kann sich das Grinsen kaum verkneifen: „Wir wollten einfach so richtig auf die Kacke hauen.“ Auch Bassist Grenayde stimmt zu und meint, das Motto der Aufnahmen sei „härter, schneller, lauter“ gewesen: „Wir hatten das Gefühl, dass es jetzt erst richtig losgeht und was sollten wir da wohl anderes tun, als noch mal richtig Gas zu geben und voll aufzudrehen?“ Eben.
Lord of the Lost – „From the Flame Into the Fire“
Ursprünglich erschienen im Piranha 06/2014